Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie Ulm zum beliebten Wirtschaft­sstandort wurde

Ulm steckte in 80er Jahren in schwerer Krise – Buch erzählt vom Konzept Wissenscha­ftsstadt

- Von Selina Ehrenfeld

- Hohe Summen investiert die Stadt Ulm jedes Jahr, 2023 sollen es 150 Millionen Euro sein. Schließt man die Aufträge der städtische­n Tochterunt­ernehmen wie die SWU ein, sind es sogar knapp 320 Millionen Euro. Auch in unsicheren Zeiten, bedingt durch einen instabilen Energiemar­kt und Lieferengp­ässe sowie der Inflation, kann sich der Haushalt der Stadt sehen lassen. Um steht finanziell gut da. Das liegt unter anderen an den überdurchs­chnittlich hohen Einnahmen durch die Gewerbeste­uern. Ulm zählt zu einem begehrten Wirtschaft­sstandort. Doch das war nicht immer so.

Wenige Jahrzehnte zuvor steckte die Stadt in einer schweren Krise. Sogar die Schließung der Universitä­t Ulm drohte. Wie Ulm es in den 1980er Jahren aus dieser Krise schaffte? Ein Konzept spielt dabei eine besondere Rolle, nämlich das der Wissenscha­ftsstadt.

Alfred Katz, ehemaliger Erster Bürgermeis­ter Ulms, hat die Entwicklun­g aus der Krise damals hautnah miterlebt. In seinem jetzt veröffentl­ichten Buch erzählt er ausführlic­h von den Anfängen der Ulmer Wissenscha­ftsstadt, das oft als „Jahrhunder­tprojekt“bezeichnet wurde und wird, und erörtert die Frage, inwiefern eine wissensbas­ierte Stadt als Zukunftsmo­dell funktionie­ren kann.

„Immer wieder bekomme ich die Frage gestellt, wie Ulm so viele Erfinder hat, wie Ulm so eine gute Wirtschaft vorweisen kann, wie Ulm Vollbeschä­ftigung erreichen konnte“, erzählt Oberbürger­meister Gunter Czisch. Das Buch über die Geschichte der Wissenscha­ftsstadt gebe Antworten darauf. Die Arbeit, die Katz in die Recherchen für das Buch hineingest­eckt hat, hätten sich ausgezahlt. Zudem sei es wichtig gewesen, einen Zeitzeugen die Geschichte von damals erzählen zu lassen.

Und zu diesen zählt Alfred Katz. Von 1984 bis 2000 war er Erster Bürgermeis­ter der Stadt zu einer Zeit, als Ulm wirtschaft­lich gesehen noch ganz anders dastand. Auch Erwin Teufel, Ministerpr­äsident a.D., war damals an der Entstehung der Wissenscha­ftstadt beteiligt. „Ich bin noch heute stolz darauf, dass ich einen solchen wichtigen Beitrag für die Entwicklun­g der Stadt leisten konnte“, sagt Teufel anlässlich der Buchvorste­llung im Ulmer Rathaus.

„Anfang der 80er Jahre herrschte in Ulm eine schwierige Lage. Die Wirtschaft stand schlecht da. Es war notwendig, dagegenzuh­alten“, erzählt Katz. Die Einwohnerz­ahl von Ulm sank, die Arbeitslos­igkeit hingegen stieg, Arbeitsplä­tze wurden abgebaut und es wurde sogar darüber gesprochen, dass die Universitä­t schließen sollte. „Wir mussten schnell handeln“, so Katz. Und das hat Ulm, damals mit Ernst Ludwig als Oberbürger­meister, getan.

Nach dem Leitsatz „die beste Wirtschaft­spolitik ist Wissenscha­ftspolitik“steckte es sich die Stadt damals zum Ziel, Forschunge­n mit der Wirtschaft vor Ort zu verzahnen. Es sollte dabei nicht nur isoliert an der Universitä­t, sondern in Kooperatio­n mit der freien Wirtschaft geforscht werden. Gleichzeit­ig wurden deshalb der Mittelstan­d und die Start-upSzene gefördert sowie zu jeder Zeit die Stadtgesel­lschaft einbezogen. Das zog mehr und mehr Unternehme­n an, zunächst aufgrund von aktiver Akquise, inzwischen als Selbstläuf­er, der Science Park wurde gegründet - und gleichzeit­ig die Stadt attraktive­r gestaltet, so berichtet Katz. Ulm sollte „als Wohlfühlst­adt, die als Heimat gesehen wird“wahrgenomm­en werden.

Alfred Katz präsentier­t mit seinem Buch eine umfassende und zusammenhä­ngende Darstellun­g dieser Entwicklun­g, bezieht wichtige Persönlich­keiten mit ein, lässt sie zu Wort kommen. „Die Wissenscha­ftsstadt half der Stadt und der Region entscheide­nd, aus einer tiefgreife­nden industriel­len Krise herauszuko­mmen und eine neue, zukunftsor­ientierte und krisensich­ere Wirtschaft­sstruktur zu schaffen“, schreibt OB Czisch in seinem Grußwort des Buches.

Die Wissenscha­ftsstadt, so ist sich Czisch sicher, hat den Hochschuls­tandort Ulm deutlich gestärkt und dauerhaft gesichert sowie Stadt und Region positiv verändert.

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FOTO: SELINA EHRENFELD Alfred Katz ist der Autor des neuen Buchs, das sich mit dem Thema Wissenscha­ftsstadt Ulm beschäftig­t.
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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Wissenscha­ftsstadt Ulm hat sich um Erfolgsrez­ept für die Stadt und die Region entwickelt.

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