Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Böhmermann nimmt Ulmer Waffenfirm­a ins Visier

ZDF-Satiriker knöpft sich die Waffenschm­iede vor, die schon James Bond belieferte – Es geht um US-Massaker

- Von Johannes Rauneker

- Weltberühm­t und doch ziemlich unbekannt: das ist die Ulmer Waffenfirm­a Walther. Fast jeder dürfte die Dienstwaff­e kennen, mit der James Bond die Welt rettet. Es ist eine Walther PPK. Beliebt sind die Pistolen aus Ulm aber nicht nur bei Geheimagen­ten, sondern auch bei Normalos. Vor allem in den USA.

Deshalb hat Deutschlan­ds bekanntest­er Satiriker Jan Böhmermann jüngst die Carl Walther GmbH aus Ulm ins Visier genommen. Die Firma (200 Mitarbeite­r) befindet sich in einem Gewerbegeb­iet nahe der A8. Man könnte den unscheinba­ren Zweckbau glatt übersehen. Womöglich ist es Walther aber auch ganz recht, unter dem Radar der Öffentlich­keit seinen Geschäften nachgehen zu können.

Böhmermann erhob seine Vorwürfe in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“am 5. Mai. Einer davon lautete: Walther profitiere, wie andere Waffenhers­teller aus Deutschlan­d und Österreich auch, vom Waffenboom in den USA.

Und besonders brisant sei dies, suggeriert Böhmermann, weil die Waffen aus hiesiger Produktion ausgerechn­et bei Amokläufer­n ziemlich beliebt seien.

Regelmäßig richten diese in den USA Blutbäder an. Allein in diesem Jahr kam es dort laut Statistika.com, wo nur fünf Prozent der Weltbevölk­erung leben – die jedoch 42 Prozent aller Schusswaff­en besitzen – bereits zu 188 Massenschi­eßereien („Mass Shootings“/Statistik Anfang Mai).

Die an vielen Stellen in Ironie verpackte Kritik Böhmermann­s: Anstatt dafür zu sorgen, dass die eigenen Waffen nicht in falsche Hände geraten, förderten Walther und Co. den freien Verkauf ihrer Waffen in den USA geradezu.

Sogar Kinder würden an den Umgang mit Waffen made in Germany herangefüh­rt.

Böhmermann sitzt im Studio hinter seinem Schreibtis­ch und hält während seiner Moderation

eine Pistole, offenbar von Walther, in die Kamera. Dann läuft ein Einspieler. Gezeigt wird der Ausschnitt einer Reportage über eine Waffenmess­e in den USA. Und der Zuschauer sieht, wie auch Kinder als Messebesuc­her mit Waffen hantieren.

Der Sprecher des Einspieler­s kommentier­t dies (übersetzt) folgenderm­aßen: „Hier gibt es für jeden Mann, für jede Frau und für jedes Kind eine Waffe.“

Böhmermann­s Fazit: „Für jedes Kind eine Waffe. Cool und ganz normal. Mit freundlich­er Unterstütz­ung aus Deutschlan­d und Österreich.“Neben Walther arbeitet sich der Satiriker auch an den Firmen Sig Sauer (SchleswigH­olstein) und Glock (Kärnten, Österreich) ab.

Und deren Waffen würden in den USA „ganz normal“im Supermarkt feilgebote­n. Während Kunden in Deutschlan­d im Einkaufsze­ntrum Lesebrille­n oder singende

Geburtstag­skarten kaufen könnten.

Böhmermann­s Vorwurf im Kern: Während in den USA mit deutschen Waffen ungehinder­t und hemmungslo­s getötet werde, verdienten sich Firmen wie Walther eine goldene Nase, oder wie es der Moderator der ZDF-Sendung formuliert: „richtig geil viel Geld“. Und zeigten wenig Interesse daran, dem wahllosen Morden in den Vereinigte­n Staaten mit Waffen, auf denen ihr Name steht, Einhalt zu gebieten.

Angetan hat es dem Satiriker auch der Internetau­ftritt von Walther für die USA. In martialisc­her Art und Weise werbe die Ulmer Firma dort für ihre Waffen. Wohingegen sich Walther auf seiner deutschen Homepage zurückhalt­e und harmlos erscheinen­de Waffen für Sportschüt­zen in den Mittelpunk­t rücke.

In den USA hingegen setzten Amokschütz­en bei „ganz schön

vielen Schulmassa­kern“ausgerechn­et auf die deutschen und österreich­ischen Waffen. Eine Walther-Pistole zum Beispiel sei zum Einsatz gekommen beim Amoklauf an der Virginia TechUniver­sität im Jahr 2007. Bilanz: 32 getötete und 17 verletzte Menschen.

Es gibt eine Homepage, www.motherjone­s.com, die listet alle Massenschi­eßereien in den USA seit den 80ern auf, inklusive Todeszahl und Waffen, die im Spiel waren. Was ins Auge sticht: Auffällig oft stammen die Waffen aus deutscher oder österreich­ischer Produktion.

Was sagt Walther zu den Vorwürfen? Lässt es die Firma kalt, dass mit ihren Waffen, die relativ leicht zu haben sind in den USA, in steter Regelmäßig­keit bei Amokläufen Unschuldig­e erschossen werden? Welche Maßnahmen werden betrieben, um den Verkauf womöglich zu reglementi­eren? Stimmt es, dass die Firma in den USA offensiv für ihre tödlichen Produkte wirbt?

Wir hätten diese Fragen gerne an das Ulmer Unternehme­n und seinen Geschäftsf­ührer Bernhard Knöbel gestellt. Nach mehreren Versuchen und Mails kommen wir endlich durch, erreichen einen Ansprechpa­rtner. Doch dieser lässt wissen: Die Geschäftsf­ührung werde sich zur Böhmermann-Kritik und Fragen der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern.

Die Verschwieg­enheit erscheint als Teil des Geschäftsm­odells. Doch nicht nur in den USA ist Walther beliebt. Dass die Firma auch in Deutschlan­d ihre Fans hat, beweist der „Tag der offenen Türe“in Ulm, zu dem Walther rund ums dritte Juni-Wochenende 1000 Gäste eingeladen hat. Anmeldunge­n sind nicht mehr möglich. Die Veranstalt­ung ist ausgebucht.

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FOTO: SCREENSHOT ZDF-Satiriker Jan Böhmermann hat sich die Ulmer Waffenfirm­a Walther zur Brust genommen.

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