Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Fake News entlarven, so geht es
Experte Gernot Wolfram gibt Tipps, wie man mit gefälschten Informationen umgeht
- Fake News und Propaganda sind derzeit vor allem im Internet allgegenwärtig: Doch wie soll man damit umgehen und wie auf Betroffene reagieren, die selbst an die Falschmeldungen glauben? Ein Experte gibt Tipps und zeigt worauf es in der Diskussion ankommt.
Wer trägt die Schuld an dem Angriffskrieg auf die Ukraine? Obwohl nachweislich Russland die Ukraine angegriffen hat, folgen nicht alle dieser Auffassung. „Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit“, unter diesem Titel hat Professor Gernot Wolfram von der Bundeszentrale für politische Bildung einen Vortrag gehalten. Er ist Medienwissenschaftler und informiert im Auftrag der Bundeszentrale über das Thema.
Bei seinem Online-Vortrag, der vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich veranstaltet wurde, war die zentrale Frage: Wie kann es sein, dass die russische Propaganda nicht nur in Russland, sondern auch bei manchen Gruppen in Deutschland verfängt?
In autoritären Staaten wie Russland seien „richtig gut geschulte Propagandisten“am Werk. Sie schafften es, Propaganda auf jedes einzelne Land und jeden Kulturkreis anzupassen. Und doch gibt es Grundmechanismen, die überall ähnlich funktionierten. Eine Voraussetzungen, damit Fake News bei den Adressaten verfangen, sei zunächst das Unwissen. „Wenn Sie gefestigte soziale Beziehungen und eine ethische Grundlage haben, wird es für die Propagandisten schwieriger“, sagte Gernot Wolfram. Fehlendes Wissen aber sei ein „Einfallstor“für Propaganda.
Hinzu komme die „Komplexitätsangst“. Desinformationen zu verbreiten, sei vor allem dann rasch möglich, wenn „die Menschen verunsichert“sind. Das habe bereits die Corona-Zeit gezeigt. „Die selbsternannten Virologen sind nun über Nacht alle zu Osteuropa-Experten geworden“, sagte er. Ihnen gelinge eine „totale Verschiebung der Perspektive“.
Nicht Putin werde dabei zum Angreifer, sondern die Nato.
„Natürlich ist auch ein kritischer Umgang mit der Nato und der deutschen Regierung wichtig.“Doch die propagandistische Sichtweise sei gefährlich. Viele Menschen in Deutschland wünschten sich, dass der Krieg vorbei gehe. Nun gibt es Menschen, die genau diese Wünsche mit ihrer Propaganda bedienten. „Der Krieg könnte morgen vorbei sein, wenn ihr euch auf die richtige Seite stellt“, so das angebliche Versprechen.
Gernot Wolfram betonte: „Es gibt eine ganz große Sehnsucht nach Menschen, die die Themen vereinfachen.“Die Wissenschaft hingegen tue sich schwer damit,
sich in diesen Diskursen durchzusetzen. Was sich zurzeit abzeichne, sei „die Netf lixisierung des Konf likts“. Die Vorstellung von „David gegen Goliath“aber sei „hochgradig naiv“. Wolfram sprach sich für einen „ruhigen und besonnen Diskurs“aus und dafür, Fake News bewusst aufzudecken, auch wenn diese in persönlichen Gesprächen geäußert wurden. Wenn auf die Aussage „Ich setze mich für Tierschutz ein“zum Beispiel gleich der Vorwurf folgt, man wolle alle Menschen zu Veganern machen oder Mückensprays verbieten, sei es angebracht, diese „Fehlschlüsse“aufzudecken. Das heißt: Die Diskussion zu unterbrechen und zu betonten, dass mit einem rhetorischem
Trick versucht werde, das Gespräch fehlzuleiten – mit Argumenten, die nichts mit dem ursprünglichen Gespräch zu tun haben.
Mit Fehlschlüssen funktioniere auch die Propaganda im großen Stil. Inzwischen gebe es „klare Belege, dass Kreml-Medien auch bestimmte Personen in Europa finanzieren“, sagte Gernot Wolfram auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Diese „Trolle“sitzen an vielen verschiedenen Orten. Wolfram hat es selbst erlebt, dass nach Vorträgen von ihm, Menschen aufgestanden sind und ihm vorgeworfen haben. die Unwahrheit zu erzählen. „Wann waren Sie das letzte Mal in Russland? Alles was sie erzählen ist falsch.“Auch das seien Trolle, davon ist Wolfram überzeugt. „Aber ich merke, dann dennoch wie die Zuhörerschaft plötzlich anders auf mich schaut“, sagt er. Damit hätte die Propaganda bereits einen Zweck erfüllt.
„Die selbsternannten Virologen sind nun über Nacht alle zu Osteuropa-Experten geworden.“Gernot Wolfram