Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Fake News entlarven, so geht es

Experte Gernot Wolfram gibt Tipps, wie man mit gefälschte­n Informatio­nen umgeht

- Von Andreas Spengler

- Fake News und Propaganda sind derzeit vor allem im Internet allgegenwä­rtig: Doch wie soll man damit umgehen und wie auf Betroffene reagieren, die selbst an die Falschmeld­ungen glauben? Ein Experte gibt Tipps und zeigt worauf es in der Diskussion ankommt.

Wer trägt die Schuld an dem Angriffskr­ieg auf die Ukraine? Obwohl nachweisli­ch Russland die Ukraine angegriffe­n hat, folgen nicht alle dieser Auffassung. „Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit“, unter diesem Titel hat Professor Gernot Wolfram von der Bundeszent­rale für politische Bildung einen Vortrag gehalten. Er ist Medienwiss­enschaftle­r und informiert im Auftrag der Bundeszent­rale über das Thema.

Bei seinem Online-Vortrag, der vom Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Marcel Emmerich veranstalt­et wurde, war die zentrale Frage: Wie kann es sein, dass die russische Propaganda nicht nur in Russland, sondern auch bei manchen Gruppen in Deutschlan­d verfängt?

In autoritäre­n Staaten wie Russland seien „richtig gut geschulte Propagandi­sten“am Werk. Sie schafften es, Propaganda auf jedes einzelne Land und jeden Kulturkrei­s anzupassen. Und doch gibt es Grundmecha­nismen, die überall ähnlich funktionie­rten. Eine Voraussetz­ungen, damit Fake News bei den Adressaten verfangen, sei zunächst das Unwissen. „Wenn Sie gefestigte soziale Beziehunge­n und eine ethische Grundlage haben, wird es für die Propagandi­sten schwierige­r“, sagte Gernot Wolfram. Fehlendes Wissen aber sei ein „Einfallsto­r“für Propaganda.

Hinzu komme die „Komplexitä­tsangst“. Desinforma­tionen zu verbreiten, sei vor allem dann rasch möglich, wenn „die Menschen verunsiche­rt“sind. Das habe bereits die Corona-Zeit gezeigt. „Die selbsterna­nnten Virologen sind nun über Nacht alle zu Osteuropa-Experten geworden“, sagte er. Ihnen gelinge eine „totale Verschiebu­ng der Perspektiv­e“.

Nicht Putin werde dabei zum Angreifer, sondern die Nato.

„Natürlich ist auch ein kritischer Umgang mit der Nato und der deutschen Regierung wichtig.“Doch die propagandi­stische Sichtweise sei gefährlich. Viele Menschen in Deutschlan­d wünschten sich, dass der Krieg vorbei gehe. Nun gibt es Menschen, die genau diese Wünsche mit ihrer Propaganda bedienten. „Der Krieg könnte morgen vorbei sein, wenn ihr euch auf die richtige Seite stellt“, so das angebliche Verspreche­n.

Gernot Wolfram betonte: „Es gibt eine ganz große Sehnsucht nach Menschen, die die Themen vereinfach­en.“Die Wissenscha­ft hingegen tue sich schwer damit,

sich in diesen Diskursen durchzuset­zen. Was sich zurzeit abzeichne, sei „die Netf lixisierun­g des Konf likts“. Die Vorstellun­g von „David gegen Goliath“aber sei „hochgradig naiv“. Wolfram sprach sich für einen „ruhigen und besonnen Diskurs“aus und dafür, Fake News bewusst aufzudecke­n, auch wenn diese in persönlich­en Gesprächen geäußert wurden. Wenn auf die Aussage „Ich setze mich für Tierschutz ein“zum Beispiel gleich der Vorwurf folgt, man wolle alle Menschen zu Veganern machen oder Mückenspra­ys verbieten, sei es angebracht, diese „Fehlschlüs­se“aufzudecke­n. Das heißt: Die Diskussion zu unterbrech­en und zu betonten, dass mit einem rhetorisch­em

Trick versucht werde, das Gespräch fehlzuleit­en – mit Argumenten, die nichts mit dem ursprüngli­chen Gespräch zu tun haben.

Mit Fehlschlüs­sen funktionie­re auch die Propaganda im großen Stil. Inzwischen gebe es „klare Belege, dass Kreml-Medien auch bestimmte Personen in Europa finanziere­n“, sagte Gernot Wolfram auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Diese „Trolle“sitzen an vielen verschiede­nen Orten. Wolfram hat es selbst erlebt, dass nach Vorträgen von ihm, Menschen aufgestand­en sind und ihm vorgeworfe­n haben. die Unwahrheit zu erzählen. „Wann waren Sie das letzte Mal in Russland? Alles was sie erzählen ist falsch.“Auch das seien Trolle, davon ist Wolfram überzeugt. „Aber ich merke, dann dennoch wie die Zuhörersch­aft plötzlich anders auf mich schaut“, sagt er. Damit hätte die Propaganda bereits einen Zweck erfüllt.

„Die selbsterna­nnten Virologen sind nun über Nacht alle zu Osteuropa-Experten geworden.“Gernot Wolfram

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Wie können Fake News bekämpft werden, darüber wurde bei einem Vortrag gesprochen.

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