Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Eine 500 Jahre alte Lederpanto­lette birgt Rätsel

Seltenes Fundstück in Blaubeuren – Führung der VHS ins Badhaus der Mönche

- Von Ilse Fischer-Giovante

- Ein neu ausgestell­tes seltenes Fundstück, vielbeacht­et in Historiker­kreisen, war Anlass für die VHS, eine Führung ins Badhaus der Mönche im Klosterare­al Blaubeuren anzubieten. Stephan Buck, Historiker, Stadt-und Klosterfüh­rer in Blaubeuren und Kustos des Badhauses, erklärte die Hintergrün­de des Funds und die Tradition der Badhäuser im Mittelalte­r.

Eine alte „ausgelatsc­hte“Lederpanto­lette ist es, die Rätsel birgt: Nachweisba­r ist, dass sie vor 70 Jahren gefunden wurde, als die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden­e Blaubeurer Kulturgeme­inde das Heimatmuse­um im ersten Stock des Badhauses aufbaute. Sie hatte den Auftrag der US-Besatzungs­macht, die demokratis­che Kultur in Deutschlan­d wieder aufleben zu lassen, und eröffnete das Museum mit einer Ausstellun­g des Blaubeurer Malers Hans Gassebner, der in der NS-Zeit als entartet galt und verboten war.

Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts das Badhaus der Mönche umgewidmet war zu Eichamt und Wagenhalle, war ein schwerer Betonboden im Erdgeschos­s eingezogen worden. Bei der Erneuerung des Bodens mit Backsteinz­iegeln im Auftrag der Kulturgeme­inde wurde im Bauschutt die Lederpanto­lette gefunden, die dann in einem Depotschra­nk verschwand. Die Begründung liefert Buck: „Der Fund war für die damalige Zeit zu heiß“. Dass der Schuh Größe 35 war, einen 22-mm-Absatz hatte und rote Farbreste aufwies, ließ auf einen Damenschuh schließen. Wie aber kam eine Frau ins Mönchsbad?

Buck ist zu verdanken, dass der Fund aus dem Depot kam und Experten und Restaurato­ren vorgelegt wurde, die zu interessan­ten Erkenntnis­sen kamen: Die Schuhkappe ist ausgebeult, dies weise auf zig verschiede­ne Träger hin, denen der Schuh offensicht­lich zu klein war. Träger könnten Gäste des Badhauses gewesen sein, wobei es den Mönchen nach der Benediktin­erregel verboten war, mit Gästen ins Bad zu gehen. Spekuliert wird aber auch, dass es ein Arbeitssch­uh von Bedienstet­en gewesen sein könnte: „Vergleiche mit anderen Fundstücke­n ergaben, dass solche Arbeitssch­uhe im 15.Jahrhunder­t in Europa bekannt ware. Man konnte bequem rein- und rausschlup­fen, wenn man bei der Arbeit von innen nach außen wechselte“, so Buck. Er verweist auf Experten des Archäologi­schen Landesmuse­ums Konstanz und des Deutschen Ledermuseu­ms Offenbach, die vermuten, dass die Pantolette aus dem 16. oder frühen 17.Jahrhunder­t stammt – damals fertigten die Schuhmache­r identische Schuhe für den rechten oder linken Fuß. Sie mussten erst eingelaufe­n werden und sich an einen Fuß anpassen. Nun befindet sich das außergewöh­nliche Fundstück in einer Glasvitrin­e mit Klimafach im Erdgeschos­s des Badhauses,

– um das „Schimmeln“zu verhindern, so Buck.

Beim Gang durch das Badhaus, dem einzigen erhaltenen Mönchsbad in Deutschlan­d, erläuterte Stephan Buck die klösterlic­he Tradition des Badens: Mit den Kreuzzügen kam die römische und orientalis­che Badekultur in die Klöster. Besonders Kranken sei das Baden gestattet gewesen, für alle anderen zunächst nur vor christlich­en Festtagen, für die jüngeren Mönche stets im Beisein eines älteren Bruders. Zunächst gab es Bademönche, dann bildeten sich die Berufe des Baders und des Baderknech­ts heraus. Ihre Aufgabe war nicht nur die Organisati­on des Bads samt Rasur, auch medizinisc­he Anwendunge­n wie Schröpfen oder das Zähneziehe­n gehörten zu ihren Aufgaben. Aus dem Beruf des Baders entwickelt­en sich einerseits Friseure, anderersei­ts Wundärzte und Chirurgen.

Zum Mittelalte­r gehörten auch städtische Badestuben in Blaubeuren, zu denen Buck die Besucher nach einem Gang durchs Gerbervier­tel führte. Im heutigen Badhaus-Café am Kirchplatz konnten die Besucher, geführt von Hausherr Michael Hauser, den ursprüngli­chen Grundriss und den damaligen Zugang zur Aach nachvollzi­ehen. Im Bauschutt der Renovierun­g um 2018 wurden beispielsw­eise Salbentöpf­chen gefunden, die auf den Arzneimitt­elverkauf als Einnahmequ­elle der Bader hinwiesen. Betrieben wurde die neue Badstube bis circa ins Jahr 1750.

Eine Einkehr im Badhaus-Café beendete die Führung.

 ?? FOTOS: ILSE FISCHER-GIOVANTE ?? Der Historiker Stephan Buck leitete die Führung.
FOTOS: ILSE FISCHER-GIOVANTE Der Historiker Stephan Buck leitete die Führung.
 ?? ?? Eine alte Lederpanto­lette gibt es im Blaubeurer Badhaus zu sehen.
Eine alte Lederpanto­lette gibt es im Blaubeurer Badhaus zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany