Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Untauglicher Vorschlag
Die Wehrbeauftragte schlägt die Wiedereinführung der Musterung vor, was im ersten Augenblick vielleicht charmant klingen mag. Dadurch würde sich jedoch keines der bestehenden Probleme lösen.
Generationen von Männern erinnern sich an Kreiswehrersatzämter und Musterung, an Doktoren, die mit ernster Miene die Heranwachsenden auf Tauglichkeit im Feld inspizierten. So viel zur Nostalgie. In der Realität wird es aber in Deutschland keine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpf licht geben. Dazu fehlt es an Infrastruktur, Ausbildern und dem Bedarf auf breiter Ebene.
Zur Wirklichkeit gehört jedoch auch, dass sich zu wenige junge Menschen bei der Bundeswehr bewerben. Die Pflicht zur Musterung soll Abhilfe schaffen. Aufwand und Nutzen stünden allerdings in keinem Verhältnis. Die Musterung aller Männer und Frauen eines Jahrgangs käme einer gigantischen Werbekampagne gleich – inklusive ausufernder Bürokratie. Und das alles auf Kosten der Steuerzahler.
Davon abgesehen stellt sich die Frage, welche (ungewollte) Botschaft davon ausginge: Seid wehrbereit, der nächste Krieg steht vor der Tür? Realitätssinn ist wichtig, siehe Russland/Ukraine, der grundsätzliche Ansatz sollte aber kein militärischer oder kriegerischer sein. Nicht umsonst ist es in Baden-Württemberg der Bundeswehr seit 2014 verboten, Werbung an Schulen zu machen.
Mag der Vorstoß untauglich sein, erinnert er trotzdem an eine wichtige Debatte. Nämlich jene um ein Pflichtjahr zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr oder Sozialeinrichtungen. Die Umsetzung hätte praktischen Nutzen und würde in einer Gesellschaft, die sich aus vielen Kulturen zusammensetzt, die Identifikation mit dem Land fördern.
Die Bundeswehr hingegen leidet unter schlechter Ausstattung, Führungsschwäche und miserablem Image. Zuallererst und mithilfe der Politik sollte sie diese Probleme lösen. Das wäre die beste Werbung in eigener Sache.