Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
AfD-Höhenflug bereitet Parteien Sorge
Diskussion um Ursachen entbrannt – Union mit Vorwürfen gegen Ampel
(dpa) - Das Umfragehoch für die AfD und das gleichzeitige Zustimmungstief für die AmpelRegierung haben in Berlin eine Diskussion über die Ursachen ausgelöst. Vertreter der Union und Experten machten am Freitag unter anderem die Migrationsund Energiepolitik der Koalition für die Entwicklung verantwortlich. Doch es gab auch selbstkritische Töne. Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, könnte die AfD nach dem aktuellen ARD„Deutschlandtrend“mit 18 Prozent der Stimmen rechnen. Sie läge damit zusammen mit der Kanzlerpartei SPD (auch 18) auf dem zweiten Platz hinter CDU und CSU (29). Aktuell ist nur noch jeder Fünfte Befragte mit der Arbeit der Ampel-Koalition zufrieden. Dazu gibt es verschiedene Erklärungsversuche.
Erklärungsversuch 1: Unzufriedenheit wegen Migration und Energie
„Die AfD profitiert einerseits von der Sorge einer wachsenden Zahl von Bürgern über das Ausmaß und die Folgen der Migration und andererseits von der Angst über die Kosten der Energie- und Klimapolitik der Regierung, wobei viele AfD-Anhänger kein Verständnis für die Notwendigkeit der von der Koalition vorgeschlagenen Maßnahmen aufbringen“, sagte der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter. Im „Deutschlandtrend“gaben zwei Drittel der AfD-Sympathisanten an, die Partei wegen der Migrationspolitik wählen zu wollen, knapp die Hälfte nannte die Energiepolitik. Viele, die im Augenblick die AfD favorisierten, seien „einfach enttäuscht“und verlören
zunehmend das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das liegt vor allem an der großen Verunsicherung, die die Ampel durch ihre führungslose Chaos-Politik verursacht, sei es bei den Heizungen, bei der Gesundheitsversorgung oder beim Thema Zuwanderung.“
Erklärungsversuch 2: AmpelDauerstreit
Wenn Politiker und Parteien sich streiten, kommt das bei Wählern nicht gut an, wird gern von Umfrageexperten betont. Und gestritten wird in der Ampel viel seit einigen Monaten. Vor allem Grüne und FDP liegen über Kreuz beim Gebäudeenergiegesetz mit Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen. SPD-Präsidiumsmitglied Michael Roth riet der Koalition bei Twitter, sich „wieder als Team“zu sehen, intern zu streiten und Probleme zu lösen. Er forderte außerdem die Union dazu auf, nicht „populistisch“draufzuhauen, und appellierte an die Medien, zur „Versachlichung“beizutragen.
Erklärungsversuch 3: Zuspitzung treibt Wähler zur AfD
Einige geben den Unionsparteien eine Mitschuld an den Zuwächsen bei der AfD. Die Theorie: Wenn CDU und CSU die Ampel mit zu scharfen Worten traktieren oder sich bei Themen wie Migration AfD-Positionen annähern, um Wähler zurückzugewinnen, stärkt das nur die Rechten selbst. „Tagesschau.de“zitierte am Freitag den Lüneburger Politikwissenschaftler Michael Koß. Seiner Ansicht nach besteht „natürlich immer die Gefahr, dass man Wählerinnen und Wählern damit das Original schmackhaft macht. Und das Original ist bei allem rhetorischen Rabatz, den die Union schlägt, immer die AfD.“Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor wies solche Überlegungen im Sender „Welt“zurück: Sein Parteikollege Norbert Röttgen schrieb dagegen bei Twitter: „Auch die Union sollte sich selbstkritisch fragen, warum wir praktisch nicht profitieren von so einer großen Unzufriedenheit mit der Regierung.“
Erklärungsversuch 4: Mehr AfD-Wähler aus Überzeugung
Die AfD ging derweil mit Jubelstimmung ins Wochenende: 18 Prozent seien nur der Anfang, twitterte AfD-Co-Chefin Alice Weidel am Freitag. „Unser Versprechen im Falle einer Regierungsbeteiligung: Wir nehmen die grünen Wahnsinnsgesetze wieder zurück“, fügte sie hinzu. Nach Ansicht ihres Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla ist die AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, „keine bloße Protestpartei“. Er sehe vielmehr einen Trend, dass „immer mehr Bürger uns aus Überzeugung wählen“, sagte er den Funke-Zeitungen. Im „Deutschlandtrend“gab allerdings nur ein Drittel der AfD-Anhänger an, die Partei aus Überzeugung wählen zu wollen, zwei Drittel nannten Enttäuschung über die anderen Parteien als Grund.