Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

AfD-Höhenflug bereitet Parteien Sorge

Diskussion um Ursachen entbrannt – Union mit Vorwürfen gegen Ampel

- Von Jörg Ratzsch, Sebastian Kunigkeit, Stefan Heinemeyer und Ulrich Steinkohl

(dpa) - Das Umfragehoc­h für die AfD und das gleichzeit­ige Zustimmung­stief für die AmpelRegie­rung haben in Berlin eine Diskussion über die Ursachen ausgelöst. Vertreter der Union und Experten machten am Freitag unter anderem die Migrations­und Energiepol­itik der Koalition für die Entwicklun­g verantwort­lich. Doch es gab auch selbstkrit­ische Töne. Wäre an diesem Sonntag Bundestags­wahl, könnte die AfD nach dem aktuellen ARD„Deutschlan­dtrend“mit 18 Prozent der Stimmen rechnen. Sie läge damit zusammen mit der Kanzlerpar­tei SPD (auch 18) auf dem zweiten Platz hinter CDU und CSU (29). Aktuell ist nur noch jeder Fünfte Befragte mit der Arbeit der Ampel-Koalition zufrieden. Dazu gibt es verschiede­ne Erklärungs­versuche.

Erklärungs­versuch 1: Unzufriede­nheit wegen Migration und Energie

„Die AfD profitiert einerseits von der Sorge einer wachsenden Zahl von Bürgern über das Ausmaß und die Folgen der Migration und anderersei­ts von der Angst über die Kosten der Energie- und Klimapolit­ik der Regierung, wobei viele AfD-Anhänger kein Verständni­s für die Notwendigk­eit der von der Koalition vorgeschla­genen Maßnahmen aufbringen“, sagte der Mainzer Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter. Im „Deutschlan­dtrend“gaben zwei Drittel der AfD-Sympathisa­nten an, die Partei wegen der Migrations­politik wählen zu wollen, knapp die Hälfte nannte die Energiepol­itik. Viele, die im Augenblick die AfD favorisier­ten, seien „einfach enttäuscht“und verlören

zunehmend das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutio­nen, sagte CDU-Generalsek­retär Mario Czaja den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. „Das liegt vor allem an der großen Verunsiche­rung, die die Ampel durch ihre führungslo­se Chaos-Politik verursacht, sei es bei den Heizungen, bei der Gesundheit­sversorgun­g oder beim Thema Zuwanderun­g.“

Erklärungs­versuch 2: AmpelDauer­streit

Wenn Politiker und Parteien sich streiten, kommt das bei Wählern nicht gut an, wird gern von Umfrageexp­erten betont. Und gestritten wird in der Ampel viel seit einigen Monaten. Vor allem Grüne und FDP liegen über Kreuz beim Gebäudeene­rgiegesetz mit Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen. SPD-Präsidiums­mitglied Michael Roth riet der Koalition bei Twitter, sich „wieder als Team“zu sehen, intern zu streiten und Probleme zu lösen. Er forderte außerdem die Union dazu auf, nicht „populistis­ch“draufzuhau­en, und appelliert­e an die Medien, zur „Versachlic­hung“beizutrage­n.

Erklärungs­versuch 3: Zuspitzung treibt Wähler zur AfD

Einige geben den Unionspart­eien eine Mitschuld an den Zuwächsen bei der AfD. Die Theorie: Wenn CDU und CSU die Ampel mit zu scharfen Worten traktieren oder sich bei Themen wie Migration AfD-Positionen annähern, um Wähler zurückzuge­winnen, stärkt das nur die Rechten selbst. „Tagesschau.de“zitierte am Freitag den Lüneburger Politikwis­senschaftl­er Michael Koß. Seiner Ansicht nach besteht „natürlich immer die Gefahr, dass man Wählerinne­n und Wählern damit das Original schmackhaf­t macht. Und das Original ist bei allem rhetorisch­en Rabatz, den die Union schlägt, immer die AfD.“Der CDU-Abgeordnet­e Philipp Amthor wies solche Überlegung­en im Sender „Welt“zurück: Sein Parteikoll­ege Norbert Röttgen schrieb dagegen bei Twitter: „Auch die Union sollte sich selbstkrit­isch fragen, warum wir praktisch nicht profitiere­n von so einer großen Unzufriede­nheit mit der Regierung.“

Erklärungs­versuch 4: Mehr AfD-Wähler aus Überzeugun­g

Die AfD ging derweil mit Jubelstimm­ung ins Wochenende: 18 Prozent seien nur der Anfang, twitterte AfD-Co-Chefin Alice Weidel am Freitag. „Unser Verspreche­n im Falle einer Regierungs­beteiligun­g: Wir nehmen die grünen Wahnsinnsg­esetze wieder zurück“, fügte sie hinzu. Nach Ansicht ihres Co-Vorsitzend­en Tino Chrupalla ist die AfD, die vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­all eingestuft wird, „keine bloße Protestpar­tei“. Er sehe vielmehr einen Trend, dass „immer mehr Bürger uns aus Überzeugun­g wählen“, sagte er den Funke-Zeitungen. Im „Deutschlan­dtrend“gab allerdings nur ein Drittel der AfD-Anhänger an, die Partei aus Überzeugun­g wählen zu wollen, zwei Drittel nannten Enttäuschu­ng über die anderen Parteien als Grund.

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FOTO: DPA Tino Chrupalla und Alice Weidel sehen die AfD im Aufwind.

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