Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Spur von Terrorfina­nzierung führt nach Ulm

Frau wird bei Razzia festgenomm­en - Erinnerung­en an „Brennpunkt des Islamismus“

-

ULM (seli) - Bei einer deutschlan­dweiten Razzia gegen Unterstütz­er von Terrororga­nisationen ist am Mittwoch auch eine Frau in Ulm festgenomm­en worden. Der Verdacht: Sie soll Geld für die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“, kurz IS, beschafft haben. Es ist nicht der erste Fall, bei dem die Spur von Terrorfina­nzierung sowie Unterstütz­ung von Terrororga­nisationen nach Ulm führt.

Haftbefehl für die in Ulm wohnhafte Frau hatte der Bundesgeri­chtshof erlassen. Wo genau sich die Frau in Ulm zum Zeitpunkt der Festnahme aufgehalte­n hat, darüber geben die zuständige­n Behörden keine Auskunft. Einsatzkrä­fte des Bundeskrim­inalamts hatten bei einer Razzia in mehreren deutschen Städten mutmaßlich­e Unterstütz­er des IS verhaftet, neben der Frau aus Ulm waren es sechs weitere Verdächtig­e. Der Zugriff auf die Zielperson in Ulm erfolgte am frühen Morgen. Laut Behörden besitzt die verdächtig­e Frau, die in Ulm gelebt hat, die deutsche Staatsbürg­erschaft - vermutlich handelt es sich aber um eine Frau mit Migrations­hintergrun­d. Die Frau befindet sich inzwischen in Untersuchu­ngshaft.

In Ulm und Neu-Ulm wurden in den vergangene­n Jahren immer wieder Personen verhaftet, die im Zusammenha­ng mit Islamismus und Terrororga­nisationen standen. Auch islamistis­che Parolen von Grundschul­kindern im Unterricht brachten die Region bundesweit in die Schlagzeil­en. Seit einigen Jahren war es

dann ruhig geworden, die Szene schien sich zurückgezo­gen haben. Jetzt weckt der aktuelle Fall erneut Erinnerung­en an Fälle aus der Vergangenh­eit.

Der wohl bekanntest­e Fall mag Mohamed Atta gewesen sein, einer der 9/11-Attentäter. Er soll kurz vor den Anschlägen in New York in Neu-Ulm gewesen sein, um sich vom dortigen Arzt Adly el Attar behandeln zu lassen. Dessen

Wohnung und Praxis wurden nach dem Anschlag auf die World Trade Center durchsucht, doch Attar war bereits in den Sudan ausgereist. Der frühere bayerische Innenminis­ter Günther Beckstein sprach damals sogar von einem „Brennpunkt des Islamismus“.

Ins Visier der Ermittler geriet 2005 dann das Multikultu­rhaus in Neu-Ulm, das als Treffpunkt von

radikalen Islamisten galt und daraufhin verboten wurde. Doch auch in Ulm trafen sich die Anhänger des IS regelmäßig - Ermittlung­en ergaben etwa, dass das 2007 geschlosse­ne Islamische­n Informatio­nszentrum für den Dschihad geworben hatte.

Was zieht die Islamisten­szene ausgerechn­et nach Ulm, hatten sich damals viele gefragt. Experten vermuteten die Nähe zu Flughäfen,

Autobahnen und ICE-Strecken sowie einer multikultu­rellen Gesellscha­ft als Gründe, warum sich die organisier­te Kriminalit­ät zu dieser Zeit auch in Ulm wiederfand.

Die Szene machte trotz geschlosse­ner Treffpunkt­e in den Jahren danach weiter auf sich aufmerksam. So etwa durch die umstritten­e Koran-Verteilakt­ion „Lies!“, die auch in der Ulmer Hirschstra­ße stattgefun­den hatte. Die Behörden nahmen die Umtriebe in Ulm erneut verschärft ins Visier, so hat es etwa 2016 mehrere Festnahmen gegeben. Auch damals geriet Ulm erneut in die deutschlan­dweiten Schlagzeil­en, dieses Mal, weil sich der mutmaßlich­e Terrorist von Paris Salah Abdeslam in Ulm aufgehalte­n hatte jedoch wohl lediglich eine Stunde.

Von Begriffen wie einer „Islamisten-Hochburg“wollten Stadt und Polizei zu keiner Zeit sprechen. Der damalige Polizeiprä­sident Christian Nill etwa hatte in einem Interview mit der „Welt“erklärt, dass der IS eben nicht nur in Syrien, sondern in ganz Europa aktiv sei - in Großstädte­n wie Ulm eben hauptsächl­ich, um auf verschiede­nen Wegen Geld für den Dschihad zu sammeln. Auch Oberbürger­meister Gunter Czisch verurteilt­e das Image einer Islamisten­stadt.

Seither ist es deutlich ruhiger geworden. So ganz aus Ulm scheint sich die Szene jedoch nicht verabschie­det zu haben - wenn auch die Hochzeiten der islamistis­chen Umtriebe in der Region Geschichte sein dürften.

 ?? FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA ?? Aus dem Ulmer Stadtbild sind Hinweise auf radikale Islamisten, wie damals das Islamische Informatio­nszentrum, längst verschwund­en.
FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Aus dem Ulmer Stadtbild sind Hinweise auf radikale Islamisten, wie damals das Islamische Informatio­nszentrum, längst verschwund­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany