Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Einblick in eine Welt vor unserer Zeit

Am Welterbeta­g lassen Hohle Fels, Sirgenstei­nhöhe und Geißenklös­terle tief blicken

- Von Elisabeth Sommer ●

- Sonntagvor­mittag im Aachtal: Der Parkplatz beim „Hohle Fels" füllt sich mehr und mehr. Direkt unterhalb der Schauhöhle werden ebenfalls lange vor dem Mittag immer mehr Fahrräder gezählt. Es ist Unesco-Welterbeta­g. Viele Eltern und Großeltern haben sich die archäologi­sche Fundstätte der 40.000 Jahre alten VenusFigur­ine, die als älteste figürliche Kunst der Welt gilt, als Zielort ihres Sonntagsau­sflugs ausgesucht, schließlic­h wird hier mit Aktionen für Unterhaltu­ng gesorgt, wodurch der Nachwuchs etwas Neues erfahren und selbst ausprobier­en kann.

Einiges ist an diesem Tag im Aachtal und Lonetal geboten. Führungen gibt es von Blaubeuren­Weiler aus zur Sirgenstei­nhöhle, die knapp außerhalb der Schelkling­er Gemarkung liegt und keine steinzeitl­ichen Kunstwerke aufwies, aber doch Spuren einer Besiedlung und auch namensgebe­nd für die Schelkling­er Fasnetsabt­eilung „Sirghofami­lie" ist.

Per weiterer Führung ging es auf der gegenüberl­iegenden Talseite zum Geißenklös­terle, das als Fundstätte für die ältesten nachweisba­ren Musikinstr­umente gilt. Das Urgeschich­tliche Museum (Urmu), wo die Originalve­nus zu sehen ist, wartete mit Führungen und einer Steinzeitw­erkstatt auf. Schmuck aus schwarzem Jura durfte hier hergestell­t werden.

Am „Hohle Fels" stand die Schmuckerz­eugung mit Material tierischer Herkunft im Mittelpunk­t. Archäologe Rudi Walter ist ein geübter Betreuer von Kindergrup­pen. Er bindet aber stets auch die zuschauend­en Erwachsene­n

ein. Er lässt sie ebenfalls Feuerstein­klingen, die er mit Präzision und Leichtigke­it aus Feuerstein­klumpen schlägt, anfassen und damit Leder schneiden.

Jeder will das doch einmal ausprobier­t haben, zumal in der Kindheit und Jugend der Erwachsene­n meist andere Dinge im Vordergrun­d standen. An diesem Welterbeta­g weiht Archäologe Walter in die Feinheiten der steinzeitl­ichen Schmuckher­stellung ein.

Muscheln, Fuchszähne und Höhlenbäre­nknochen liegen parat. Na ja, keine echten Bärenzähne, weil diese im Gegensatz zu Fuchszähne­n für Kinderakti­onen nicht zu beschaffen sind. Rudi Walter hat Abgüsse gemacht. Diese müssen nun gelocht werden, um auf Bast oder schmal geschnitte­nen Lederbände­ln aufgefädel­t werden zu können. Unterschie­dliche Bohrer könnten die Steinzeitm­enschen verwendet habe – rein manuelle oder bereits leicht mechanisie­rte.

Geweih dient dazu, die Feuerstein­klingen wieder zu schärfen. Kinderleic­ht sind dann Ösen in die Schmucktei­le zu formen. Ein vorheriges Aufrauen mit einem Schleifste­in hilft. An den fest installier­ten Tischen der Grillstell­e am „Hohle Fels" werkelten die Eltern mit ihren Sprössling­en. Ziel der Uni Tübingen ist es, sagt Archäologe

Walter in einer Pause zur „Schwäbisch­en Zeitung“, am „Hohle Fels" immer wieder Vorführung­en anzubieten. Am Nachmittag kam seine Kollegin Flavia Vendetti aus Tübingen für weitere Informatio­nen zur Höhle, zum Beispiel über Verzierung­en auf steinzeitl­ichen Schmuckstü­cken. Im Ausland seien Schmuckstü­cke aus der Steinzeit als Grabbeilag­en gefunden worden, berichtet Walter.

Vor der Höhle gibt es die ersten Informatio­nen, die zu den stündlich stattfinde­nden Führungen gehörten. „Wir stehen hier am Boden eines Meeres und schauen auf eine Riffstrukt­ur", erklärt der Höhlenführ­er mit Blick auf den „Hohle Fels". Die Formung des Tales bestehe in der jetzigen Ausprägung seit 130.000 Jahren. Zuwanderun­gswellen habe es vor 43.000 und 7000 Jahren gegeben, wenn auch nicht in Größenordn­ungen von Hunderttau­senden. Diese seien genetisch jedenfalls nachweisba­r.

Gejagt wurden Mammuts, Wollnashör­ner, Wildpferde und Rentiere. Erst später gab es hier Hirsche. Am Welterbeta­g sorgte die Fasnetzunf­t „Waldhutzla" für die Verpflegun­g. Die Schelkling­er Museumsges­ellschaft war mit einem Infostand vertreten.

„Wir stehen hier am Boden eines Meeres und schauen auf eine Riffstrukt­ur.“Rudi Walter

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FOTOS: ELISABETH SOMMER Stündlich gab es am Welterbeta­g Führungen im „Hohle Fels“. Das Angebot wurde wahrgenomm­en, viele radelten zur Welterbest­ätte.
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Archäologe Rudi Walter haut mit Leichtigke­it und Präzision Klingen aus Feuerstein­en.

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