Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Einblick in eine Welt vor unserer Zeit
Am Welterbetag lassen Hohle Fels, Sirgensteinhöhe und Geißenklösterle tief blicken
- Sonntagvormittag im Aachtal: Der Parkplatz beim „Hohle Fels" füllt sich mehr und mehr. Direkt unterhalb der Schauhöhle werden ebenfalls lange vor dem Mittag immer mehr Fahrräder gezählt. Es ist Unesco-Welterbetag. Viele Eltern und Großeltern haben sich die archäologische Fundstätte der 40.000 Jahre alten VenusFigurine, die als älteste figürliche Kunst der Welt gilt, als Zielort ihres Sonntagsausflugs ausgesucht, schließlich wird hier mit Aktionen für Unterhaltung gesorgt, wodurch der Nachwuchs etwas Neues erfahren und selbst ausprobieren kann.
Einiges ist an diesem Tag im Aachtal und Lonetal geboten. Führungen gibt es von BlaubeurenWeiler aus zur Sirgensteinhöhle, die knapp außerhalb der Schelklinger Gemarkung liegt und keine steinzeitlichen Kunstwerke aufwies, aber doch Spuren einer Besiedlung und auch namensgebend für die Schelklinger Fasnetsabteilung „Sirghofamilie" ist.
Per weiterer Führung ging es auf der gegenüberliegenden Talseite zum Geißenklösterle, das als Fundstätte für die ältesten nachweisbaren Musikinstrumente gilt. Das Urgeschichtliche Museum (Urmu), wo die Originalvenus zu sehen ist, wartete mit Führungen und einer Steinzeitwerkstatt auf. Schmuck aus schwarzem Jura durfte hier hergestellt werden.
Am „Hohle Fels" stand die Schmuckerzeugung mit Material tierischer Herkunft im Mittelpunkt. Archäologe Rudi Walter ist ein geübter Betreuer von Kindergruppen. Er bindet aber stets auch die zuschauenden Erwachsenen
ein. Er lässt sie ebenfalls Feuersteinklingen, die er mit Präzision und Leichtigkeit aus Feuersteinklumpen schlägt, anfassen und damit Leder schneiden.
Jeder will das doch einmal ausprobiert haben, zumal in der Kindheit und Jugend der Erwachsenen meist andere Dinge im Vordergrund standen. An diesem Welterbetag weiht Archäologe Walter in die Feinheiten der steinzeitlichen Schmuckherstellung ein.
Muscheln, Fuchszähne und Höhlenbärenknochen liegen parat. Na ja, keine echten Bärenzähne, weil diese im Gegensatz zu Fuchszähnen für Kinderaktionen nicht zu beschaffen sind. Rudi Walter hat Abgüsse gemacht. Diese müssen nun gelocht werden, um auf Bast oder schmal geschnittenen Lederbändeln aufgefädelt werden zu können. Unterschiedliche Bohrer könnten die Steinzeitmenschen verwendet habe – rein manuelle oder bereits leicht mechanisierte.
Geweih dient dazu, die Feuersteinklingen wieder zu schärfen. Kinderleicht sind dann Ösen in die Schmuckteile zu formen. Ein vorheriges Aufrauen mit einem Schleifstein hilft. An den fest installierten Tischen der Grillstelle am „Hohle Fels" werkelten die Eltern mit ihren Sprösslingen. Ziel der Uni Tübingen ist es, sagt Archäologe
Walter in einer Pause zur „Schwäbischen Zeitung“, am „Hohle Fels" immer wieder Vorführungen anzubieten. Am Nachmittag kam seine Kollegin Flavia Vendetti aus Tübingen für weitere Informationen zur Höhle, zum Beispiel über Verzierungen auf steinzeitlichen Schmuckstücken. Im Ausland seien Schmuckstücke aus der Steinzeit als Grabbeilagen gefunden worden, berichtet Walter.
Vor der Höhle gibt es die ersten Informationen, die zu den stündlich stattfindenden Führungen gehörten. „Wir stehen hier am Boden eines Meeres und schauen auf eine Riffstruktur", erklärt der Höhlenführer mit Blick auf den „Hohle Fels". Die Formung des Tales bestehe in der jetzigen Ausprägung seit 130.000 Jahren. Zuwanderungswellen habe es vor 43.000 und 7000 Jahren gegeben, wenn auch nicht in Größenordnungen von Hunderttausenden. Diese seien genetisch jedenfalls nachweisbar.
Gejagt wurden Mammuts, Wollnashörner, Wildpferde und Rentiere. Erst später gab es hier Hirsche. Am Welterbetag sorgte die Fasnetzunft „Waldhutzla" für die Verpflegung. Die Schelklinger Museumsgesellschaft war mit einem Infostand vertreten.
„Wir stehen hier am Boden eines Meeres und schauen auf eine Riffstruktur.“Rudi Walter