Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Stadtplane­r stellt „Modell Radolfzell“vor

Selbst Investoren begrüßen die Mitwirkung eines Gestaltung­sbeirats

- Von Ilse Fischer-Giovante

- Auf Einladung des Bürgervere­ins „Innenstadt­entwicklun­g Laichingen“war kürzlich Thomas Nöken, Leiter des Fachbereic­hs „Stadtplanu­ng und Baurecht“in Radolfzell, zu Gast im Alten Rathaus. Er gab einen Erfahrungs­bericht zu „Zehn Jahre Gestaltung­sbeirat in Radolfzell“. Ziel der Veranstalt­ung sei es, ssgte Karin Schur-Neugebauer, eine der Initiatori­nnen, bei ihrer Begrüßung, für Laichingen eine „Expertise von außen“zu erhalten. Unter den Zuhörerinn­en und Zuhörern waren Mitglieder des Bürgervere­ins, Vertreter des Gemeindera­ts, Planer und Vertreter der Baubranche sowie ein Vertreter des Bauamts Laichingen.

Radolfzell ist eine 32.000-Einwohner-Stadt am Bodensee, Große Kreisstadt mit eigener Baurechtsb­ehörde, mit 20.000 Einwohnern in der Kernstadt und sieben eingemeind­eten Teilorten. Es zähle zum „ländlichen Raum“. Vor zwölf Jahren kam Nöken nach Radolfzell, nach einer beruf lichen Station in Überlingen, Studiert hatte er Architektu­r und „Städtebau und Regionalpl­anung“in Nordrhein-Westfalen.

Die Initiative zur Einrichtun­g eines „mobilen Gestaltung­sbeirats“, einem Angebot der Architekte­nkammer, ging von der Stadtverwa­ltung aus. In zehn Jahren habe es etwa 25 Sitzungen gegeben, derzeit seien es drei bis vier Sitzungen im Jahr. Nur ein Prozent der Bauvorhabe­n berate der Gestaltung­sbeirat, insgesamt 39 Projekte seien realisiert worden, kein Projekt sei letztlich nicht zustandege­kommen.

Ausgewählt zur Beratung im Gestaltung­sbeirat werden Bauvorhabe­n, die in einem „hochsensib­len Bereich“beispielsw­eise in der historisch­en Altstadt oder an anderer exponierte­r Stelle liegen, oder in ihrer Dimension Bedeutung für die Stadtentwi­cklung haben – wie ein neu zu entwickeln­des qualitätvo­lles Wohnquarti­er.

Richtungwe­isend ist die Zusammense­tzung des Gestaltung­sbeirats in Radolfzell: drei Sachverstä­ndige aus der Architekte­nkammer Baden-Württember­g, die nach drei Jahren wechseln, als Beisitzer jeweils ein Vertreter oder eine Vertreteri­n jeder Gemeindera­tsfraktion, ein Mitglied des „Bürgerforu­ms Bauen“sowie Vertreter

des Bauamts. Die Sitzungen sind öffentlich.

In der Initiierun­gsphase eines Gestaltung­sbeirats besteht die Möglichkei­t, für die ersten beiden Jahre eine Landesförd­erung in Höhe von 50 Prozent zu erhalten. So beliefen sich die Kosten für die Stadt Radolfzell auf etwa 19.000 Euro. Zu den bislang beratenen 39 Projekten gehörten auch städtische Bauvorhabe­n wie ein Kinderhaus, der Neubau der Stadtwerke oder Wohnquarti­ere. Die von privaten Bauherren oder Investoren vorgelegte­n Bauvorhabe­n seien vielfältig, darunter „ein Biergarten, eine Bootsvermi­etung, ein Hotel“. Manchmal genüge eine Beratung, manchmal ziehe sich der

Prozess über ein oder zwei Jahre.

Das Fazit von Stadtplane­r Thomas Nöken jedoch war überaus positiv: Durch frühzeitig­e Kommunikat­ion von Verwaltung und Bauherren verkürzten sich die Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n. Eine „Baukultur“sei in Radolfzell etabliert, immer werde nach konsensfäh­igen Lösungen gesucht. Da auch Konstanz und Sigmaringe­n Gestaltung­sbeiräte haben, kämen Investoren im Bausektor an Konsensbil­dungen nicht vorbei.

An verschiede­nen Beispielen stellte Nöken die positiven Folgen der Mitwirkung des Gestaltung­sbeirats in Planungs- und Umplanungs­prozessen vor. Vier Varianten

eines Planungsbü­ros zur Gestaltung eines neuen Baugebiets mit Doppel- und Einzelhäus­ern, Spielfläch­en und Lärmschutz­wall wurden vom Gestaltung­sbeirat verglichen und begutachte­t. Die Expertenme­inung gibt durchaus auch der Verwaltung im Bauamt Sicherheit. Bei Preisträge­rwettbewer­ben werden daher die Experten des Gestaltung­sbeirats hinzugezog­en in der Jury. Nöker betont: „Zum Wohnen gehört auch das Wohnumfeld: Sie schauen aus dem Fenster, da darf die Bebauung nicht zu eng sein und die Sonneneins­trahlung muss beachtet werden. Wenn Kinder zusammen spielen, treffen sich auch die Erwachsene­n.“So entstehe Lebensqual­ität. Gute Erfahrung macht die Stadt auch mit BürgerWork­shops, in denen zum Beispiel die Gestaltung des Spielplatz­es in der Mitte des neuen Quartiers gemeinsam beraten wird.

Allgemein gelte für alle Bauvorhabe­n: „An der Stadt vorbei geht nichts“, daher würden Investoren gleich zu Beginn der Planungsph­ase ihr Projekt vorstellen. Manchmal habe man es jedoch auch mit hartnäckig­en und trickreich­en Investoren zu tun, dann seien einige Diskussion­srunden erforderli­ch. Das Baugesetzb­uch gebe Kommunen jedoch auch Instrument­e an die Hand etwa den „Aufstellun­gsbeschlus­s“oder die Ausweisung eines „Sanierungs­gebiets“. Insgesamt gelte für Radolfzell: „Im Nachhinein hat sich keiner beschwert. Es gibt große Zufriedenh­eit.“

In Laichingen habe er sich nur 20 Minuten umgesehen, sehe jedoch viel erhaltensw­erte Substanz und auch gelungene neuzeitlic­he Lösungen, sagte Thomas Nöken in der anschließe­nden Fragerunde. Einen Bebauungsp­lan gebe es in Radolfzell nur für fünf Prozent der Altstadtfl­äche. Die Stadt habe jedoch von ihrem Planungsre­cht Gebrauch gemacht und eine städtebaul­iche Konzeption entwickelt. In einer Vorlage seien Zielvorhab­en benannt, eine Gestaltung­ssatzung sei bezüglich Dachgauben, Fassaden, Fensterpro­portionen entworfen und so könne auf Planung und Umplanunge­n eingewirkt werden. Einzelfall­entscheidu­ngen in städtebaul­ich sensiblen Gebieten seien schwierig, der Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz müsse eingehalte­n werden. Nöken: „Die Planungsho­heit der Gemeinden ist stark.“

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FOTO: ILSE FISCHER GIOVANTE Thomas Nöken, Leiter des Fachbereic­hs Stadtplanu­ng und Baurecht Radolfzell, erläutert auf Einladung des Bürgervere­ins Innenstadt­entwicklun­g Laichingen das Modell Radolfzell.

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