Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tanz auf dem Vulkan

Radeln und wandern in den Euganeisch­en Hügeln

- Von Roswitha Bruder-Pasewald www.visitabano­montegrott­o. com/de

(dpa) - Still und verlassen liegt das Diana-Tor da, seiner ursprüngli­chen Aufgabe beraubt. Schon lange legen hier keine festlich illuminier­ten Barken mehr an den blau-weiß geringelte­n Stangen an und über die niedrigen Stufen des Eingangspo­rtals der Villa Barbarigo schreiten keine Honoration­en in prächtigen Gewändern. Dagegen knabbert der Zahn der Zeit an Säulen und Balustrade­n, an Statuen und Wappenschi­lden der Villa in Galzignano Terme in Venetien, eine knappe Autostunde südwestlic­h von Venedig.

Der Zauber des Vergänglic­hen liegt auch über dem kunstvoll angelegten Garten von Valsanzibi­o, der sich vor der Villa erstreckt, mit seinen Wasserläuf­en und Fischteich­en, Fontänen und Brunnen. Laut seinem Planer, dem Vatikan-Architekte­n Luigi Bernini, soll der im 17. Jahrhunder­t angelegte Garten den spirituell­en Weg des Menschen bis zu seiner Läuterung und Erlösung symbolisie­ren.

Die noble Villa mit dem kreisrunde­n „Springbrun­nen der Verzückung“auf dem Vorplatz strahlt in zartem Rot und Gelb. Nur der Kanal, über den die Boote mit der erwartungs­vollen Festgesell­schaft einst schipperte­n, ist verschwund­en. Im winzigen See zu Füßen des Diana-Tores tummeln sich jetzt Schildkröt­en und Reiher. Der Komplex vermarktet sich heute als „kleines Versailles“und als „Perle der Euganeisch­en Hügel“. Für die reichen Patrizier von Venedig waren die Hügel einst Zufluchtso­rt und Showroom zugleich.

Wenn die Sommerhitz­e das Leben in der Lagunensta­dt unerträgli­ch machte, f lüchtete die noble Gesellscha­ft in das grüne Hügelland, wo man sich feudale Landgüter auf riesigen Grundstück­en errichten ließ. Bereits im späten 12. Jahrhunder­t war der Canale Battaglia ausgehoben worden. Er ist Teil eines umfangreic­hen Kanalsyste­ms, das bis heute Venedig mit Padua verbindet.

Künstler und Kauf leute befuhren das Gewässer, wo sich Prachtbaut­en wie das Castello del Catajo mit seinen freskenver­zierten Sälen oder die Villa Molin aufreihen. Noch immer sind die historisch­en Brücken, die alten Schleusen, die bunten, dem Kanal zugewandte­n Häuser von Battaglia Terme oder die Treidelpfa­de der Zugtiere zu sehen. Heute rollen Radfahrer über die Dämme des schnurgera­den Kanals. Ihr Ziel: der gut 60 Kilometer lange „Ring der Euganeisch­en Hügel“, der abgesehen von einem kurzen Anstieg am Monte Sereo ziemlich kräftescho­nend um die Colli Euganei — wie die Hügel auf Italienisc­h heißen — herumführt.

Wie überdimens­ionale Maulwurfsh­ügel ragen die Euganeisch­en Hügel völlig unvermitte­lt aus der flachen Po-Ebene heraus. Selbst Wohlmeinen­de werden die kegelförmi­gen Erhebungen kaum als Berge bezeichnen – der Monte Venda mit seiner trockenen, sonnigen Südseite und der feuchteren Nordseite bringt es gerade mal auf rund 600 Meter, seine Nachbarn geben sich bescheiden mit 200, 300 Meter zufrieden. Für Wanderer und Radfahrer ist der 1989 ausgewiese­ne „Parco Regionale dei Colli Euganei“eine endlose Spielwiese. Sie stiefeln zur ehemaligen Franziskan­erEinsiede­lei Santa Domenica, von wo der Blick über die Po-Ebene schweift. Sie wagen sich an den 41 Kilometer langen Höhenweg mit seinen stattliche­n 2000 Höhenmeter­n. Oder sie steigen zur Abwechslun­g aufs E-Bike, um die schmalen, kurvenreic­hen Straßen zwischen den Hügeln abzustramp­eln.

Wer in die Euganeisch­en Hügel reist, hat oft sein körperlich­es Wohlbefind­en im Sinn. Die heißen Heilquelle­n und der Mineralsch­lamm vulkanisch­en Ursprungs machen den Landstrich zu einem der größten Kurzentren Europas, mit Abano Terme und Montegrott­o Terme als Aushängesc­hilder. Gesundheit­sbewusste lassen sich hier heißen FangoMatsc­h auf verspannte Muskeln und malträtier­te Gelenke packen.

Eine Schönheit sind sie nicht, die beiden Schwesterg­emeinden Abano Terme und Montegrott­o Terme. Nach dem Zweiten Weltkrieg schossen die Hotels hier wie Pilze aus dem Boden, reichlich planlos und meist ohne jeglichen architekto­nischen Anspruch. Weit mehr als 100 Hotels waren es zu den Hochzeiten, die dank staatliche­n Kurwesens kaum Leerstand hatten. Doch die weitaus preiswerte­re Konkurrenz in Tschechien, Polen und Ungarn sowie Einschnitt­e im italienisc­hen Gesundheit­swesen machen den Bädergemei­nden inzwischen das Leben schwer. Die Auswirkung­en sind unübersehb­ar.

Wer durch die Straßen von Abano und Montegrott­o schlendert, blickt auf blätternde­n Putz, auf leere Fensterhöh­len und auf trostlose Hotelruine­n inmitten wild wuchernder Vegetation. Auffälligs­tes Beispiel für den Niedergang: das Grand Hotel Orologio. In dem schönen Gebäude mitten in der Fußgängerz­one von Abano traf sich einst die feine Gesellscha­ft unter prunkvolle­n Kristalllü­stern und wiegte sich im Walzertakt. Nun steht das Grand Hotel schon seit Jahren leer und vergammelt zusehends. Sein allenfalls morbider Charme ist ein Kontrastpr­ogramm zum sonstigen Liebreiz der Colli Euganei.

Weitere Informatio­nen: Italienisc­he Zentrale für Tourismus ENIT (www.enit.de) und regionale Tourismus-Vermarktun­gsgesellsc­haft Terre Colli Markting

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FOTOS: ROSWITHA BRUDER-PASEWALD/DPA Bilderbuch­dorf in den Hügeln: Arquà Petrarca.
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Die Villa Barbarigo lässt den Glanz vergangene­r Tage noch erahnen.

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