Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gericht urteilt über den Mann mit dem seltsamen „Onkel“
Zweijährige Haftstrafe gegen den 44-jährigen Familienvater wegen Drogenhandels wird zur Bewährung ausgesetzt
- Wegen illegalen Handels mit Betäubungsmitteln – in diesem Fall Marihuana – hat das Landgericht Ulm einen 44-jährigen Familienvater zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, das bedeutet, der Mann bleibt in Freiheit, sofern er sich penibel an die Bewährungsauflagen hält. Eine merkwürdige Rolle hatte in dem Fall ein Mann gespielt, den der 44-Jährige als „Onkel“bezeichnete, obwohl der gar nicht mit der Familie verwandt ist.
Im Januar 2023 hatten Polizeibeamte das Haus des 44-Jährigen durchsucht und dort nicht nur 58 Cannabispflanzen in unterschiedlichen Wuchsstadien, sondern auch eine alte Schreckschusspistole, ein Deko-Samuraischwert sowie einen Schlagring gefunden. Juristisch wird die Nähe von Cannabispflanzen und Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen höher bestraft, als wenn „unbewaffnet“mit illegalen Betäubungsmitteln (BTM) gehandelt wird.
Die Ermittler waren überhaupt erst auf den Mann aufmerksam geworden, nachdem sie die Wohnung des „Onkels“auch wegen des Verdachts auf Straftaten durchsucht hatten. Zwar fanden sie dort nur geringe Mengen Marihuana und Amphetamin, stellten aber auch das Handy des „Onkels“sicher. Auf diesem fanden sie Nachrichten des 44-Jährigen „Neffen“, in denen dieser dem „Onkel“den Kauf von kiloweise Marihuana anbot. Geantwortet über den Messengerdienst hat der „Onkel“jedoch nie. Als Zeuge im Gericht stritt der 71-Jährige auch vehement ab, jemals so etwas wie Marihuana vom „Neffen“gekauft zu haben: „Was will ich denn mit Marihuana?“Letztlich konnte kein Verkauf von Betäubungsmitteln an den „Onkel“nachgewiesen werden.
In dem etwas einseitig geführten Chat des 44-Jährigen mit dem „Onkel“taucht auch eine ominöse „Gisela“auf. Im Chatprotokoll heißt es unter anderem: „Kann ich nochmal Gisela sehen?“oder „Gisela und Cola heute wäre topp“. Nun seht „Gisela“laut Vorsitzendem Richter in der BTMSzene auch für „Gras“, also Marihuana, und „Cola“sei ein Deckwort
für das Rauschgift Kokain. Aber auch die Einnahme von Kokain konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Auf die Frage, wer oder was bitteschön Gisela sei, antwortete der „Onkel“bloß achselzuckend: „Da handelt es sich wahrscheinlich um eine Frau.“
Dass das Gericht letztlich trotz Schuldspruch ein Urteil spricht, bei dem die verhängte Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, ist dem geschuldet, dass der 44Jährige den grundlegenden Sachverhalt eingeräumt hatte und zudem auch nicht vorbestraft war. Letztlich geht es nämlich nicht
mehr um die nicht nachweisbaren Kilomengen an den den Onkel, sondern „nur“noch um einige Dutzend Gramm Marihuana, welche der Mann an eine Bekannte verkauft hatte.
Was die gefundenen Waffen angeht, schätzt das Gericht ihre Gefährlichkeit niedriger ein, als beispielsweise eine „richtige“Maschinenpistole.
Zudem habe der Mann sich in einer depressiven Episode befunden, so der Vorsitzende Richter: „Sie waren in einer persönlichen Lebenskrise ab 40 plus.“Aus dieser heraus habe er angefangen, Marihuana zu konsumieren und auch zu verkaufen, um den Konsum zu finanzieren. Inzwischen sei er aber über ein Jahr von der Droge weg und habe auch seine persönlichen Verhältnisse wieder geordnet. Die Familie beziehe nun Bürgergeld uns sei somit wieder finanziell unabhängig. Das Jugendamt sei zufrieden mit der familiären Entwicklung, sodass die Kinder auch wieder bei der Familie wohnen. „Die Hausdurchsuchung Anfang 2023 war ein Weckruf für Sie. Seit über einem Jahr haben Sie sich nichts mehr zuschulden kommen lassen“, stellt der Richter fest.
Ein Schuldspruch bleibt es dennoch trotz Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Denn die Strafaussetzung ist an Bedingungen geknüpft: So muss der Mann innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils 120 Arbeitsstunden leisten, mindestens 20 pro Monat. Sollte er innerhalb dieses halben Jahres wieder eine geregelte Arbeit finden, und eine solche hat er wohl derzeit in Aussicht, kann er die restlichen Arbeitsstunden auch abbezahlen für je zehn Euro pro Stunde. Zudem muss er die Kosten des Strafverfahrens tragen und das durch den Verkauf von Marihuana eingenommene Geld, es handelt sich um rund 450 Euro, wird von der Staatskasse eingezogen.
Eine weitere Auflage sind mehrere unangekündigte Tests auf Drogenmissbrauch – und zwar nicht nur auf THC, den Wirkstoff in Marihuana, sondern auch auf die Einnahme von Kokain. Der Vorsitzende Richter erklärt: „Wir wissen nicht, was an dem ,Cola’ aus den Chats dran ist, möchten das aber auch geprüft haben.“
Wenn der Mann seine Bewährungszeit beanstandungsfrei durchsteht, muss er die verhängte zweijährige Haftstrafe nicht mehr antreten. Verstößt er gegen die Auflagen, muss er in Haft. Was es mit „Gisela“auf sich hatte, konnte im Prozess nicht geklärt werden.