Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gericht urteilt über den Mann mit dem seltsamen „Onkel“

Zweijährig­e Haftstrafe gegen den 44-jährigen Familienva­ter wegen Drogenhand­els wird zur Bewährung ausgesetzt

- Von Christoph Schneider

- Wegen illegalen Handels mit Betäubungs­mitteln – in diesem Fall Marihuana – hat das Landgerich­t Ulm einen 44-jährigen Familienva­ter zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, das bedeutet, der Mann bleibt in Freiheit, sofern er sich penibel an die Bewährungs­auflagen hält. Eine merkwürdig­e Rolle hatte in dem Fall ein Mann gespielt, den der 44-Jährige als „Onkel“bezeichnet­e, obwohl der gar nicht mit der Familie verwandt ist.

Im Januar 2023 hatten Polizeibea­mte das Haus des 44-Jährigen durchsucht und dort nicht nur 58 Cannabispf­lanzen in unterschie­dlichen Wuchsstadi­en, sondern auch eine alte Schrecksch­usspistole, ein Deko-Samuraisch­wert sowie einen Schlagring gefunden. Juristisch wird die Nähe von Cannabispf­lanzen und Waffen oder waffenähnl­ichen Gegenständ­en höher bestraft, als wenn „unbewaffne­t“mit illegalen Betäubungs­mitteln (BTM) gehandelt wird.

Die Ermittler waren überhaupt erst auf den Mann aufmerksam geworden, nachdem sie die Wohnung des „Onkels“auch wegen des Verdachts auf Straftaten durchsucht hatten. Zwar fanden sie dort nur geringe Mengen Marihuana und Amphetamin, stellten aber auch das Handy des „Onkels“sicher. Auf diesem fanden sie Nachrichte­n des 44-Jährigen „Neffen“, in denen dieser dem „Onkel“den Kauf von kiloweise Marihuana anbot. Geantworte­t über den Messengerd­ienst hat der „Onkel“jedoch nie. Als Zeuge im Gericht stritt der 71-Jährige auch vehement ab, jemals so etwas wie Marihuana vom „Neffen“gekauft zu haben: „Was will ich denn mit Marihuana?“Letztlich konnte kein Verkauf von Betäubungs­mitteln an den „Onkel“nachgewies­en werden.

In dem etwas einseitig geführten Chat des 44-Jährigen mit dem „Onkel“taucht auch eine ominöse „Gisela“auf. Im Chatprotok­oll heißt es unter anderem: „Kann ich nochmal Gisela sehen?“oder „Gisela und Cola heute wäre topp“. Nun seht „Gisela“laut Vorsitzend­em Richter in der BTMSzene auch für „Gras“, also Marihuana, und „Cola“sei ein Deckwort

für das Rauschgift Kokain. Aber auch die Einnahme von Kokain konnte dem Angeklagte­n nicht nachgewies­en werden. Auf die Frage, wer oder was bitteschön Gisela sei, antwortete der „Onkel“bloß achselzuck­end: „Da handelt es sich wahrschein­lich um eine Frau.“

Dass das Gericht letztlich trotz Schuldspru­ch ein Urteil spricht, bei dem die verhängte Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, ist dem geschuldet, dass der 44Jährige den grundlegen­den Sachverhal­t eingeräumt hatte und zudem auch nicht vorbestraf­t war. Letztlich geht es nämlich nicht

mehr um die nicht nachweisba­ren Kilomengen an den den Onkel, sondern „nur“noch um einige Dutzend Gramm Marihuana, welche der Mann an eine Bekannte verkauft hatte.

Was die gefundenen Waffen angeht, schätzt das Gericht ihre Gefährlich­keit niedriger ein, als beispielsw­eise eine „richtige“Maschinenp­istole.

Zudem habe der Mann sich in einer depressive­n Episode befunden, so der Vorsitzend­e Richter: „Sie waren in einer persönlich­en Lebenskris­e ab 40 plus.“Aus dieser heraus habe er angefangen, Marihuana zu konsumiere­n und auch zu verkaufen, um den Konsum zu finanziere­n. Inzwischen sei er aber über ein Jahr von der Droge weg und habe auch seine persönlich­en Verhältnis­se wieder geordnet. Die Familie beziehe nun Bürgergeld uns sei somit wieder finanziell unabhängig. Das Jugendamt sei zufrieden mit der familiären Entwicklun­g, sodass die Kinder auch wieder bei der Familie wohnen. „Die Hausdurchs­uchung Anfang 2023 war ein Weckruf für Sie. Seit über einem Jahr haben Sie sich nichts mehr zuschulden kommen lassen“, stellt der Richter fest.

Ein Schuldspru­ch bleibt es dennoch trotz Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Denn die Strafausse­tzung ist an Bedingunge­n geknüpft: So muss der Mann innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraf­t des Urteils 120 Arbeitsstu­nden leisten, mindestens 20 pro Monat. Sollte er innerhalb dieses halben Jahres wieder eine geregelte Arbeit finden, und eine solche hat er wohl derzeit in Aussicht, kann er die restlichen Arbeitsstu­nden auch abbezahlen für je zehn Euro pro Stunde. Zudem muss er die Kosten des Strafverfa­hrens tragen und das durch den Verkauf von Marihuana eingenomme­ne Geld, es handelt sich um rund 450 Euro, wird von der Staatskass­e eingezogen.

Eine weitere Auflage sind mehrere unangekünd­igte Tests auf Drogenmiss­brauch – und zwar nicht nur auf THC, den Wirkstoff in Marihuana, sondern auch auf die Einnahme von Kokain. Der Vorsitzend­e Richter erklärt: „Wir wissen nicht, was an dem ,Cola’ aus den Chats dran ist, möchten das aber auch geprüft haben.“

Wenn der Mann seine Bewährungs­zeit beanstandu­ngsfrei durchsteht, muss er die verhängte zweijährig­e Haftstrafe nicht mehr antreten. Verstößt er gegen die Auflagen, muss er in Haft. Was es mit „Gisela“auf sich hatte, konnte im Prozess nicht geklärt werden.

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FOTO: SCHNEIDER Die zweijährig­e Haftstrafe gegen einen 44-jährigen Familienva­ter wegen Drogenhand­els setzt das Ulmer Landgerich­t zur Bewährung aus.

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