Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Glascontai­ner-Prozess kann fortgesetz­t werden

Mutter hatte ihr Neugeboren­es ausgesetzt – Fortführun­g nach plötzliche­m Tod von Gutachter unklar

- Von Philip Hertle

- Warum hat die 38-jährige Mutter ihr neugeboren­es Kind in einem Glascontai­ner in Langenau (Alb-Donau-Kreis) ausgesetzt? Und in welcher Verfassung befand sich die Frau zum Tatzeitpun­kt? Im kürzlich gestartete­n Prozess vor dem Ulmer Landgerich­t gilt es, diese Fragen zu beantworte­n.

Im Prozess gab es zuvor aber eine unerwartet­e Wendung: Der psychiatri­sche Gutachter, der die Angeklagte währenddes­sen begleiten sollte, ist überrasche­nd verstorben. Seit vergangene­r Woche war deshalb unklar, ob der Prozess überhaupt hätte fortgeführ­t werden können. Am Montagnach­mittag teilt das Landgerich­t indes mit: Ein neuer Sachverstä­ndiger wurde nun kurzerhand gefunden.

Die Tat im Oktober machte betroffen. Nur mit telefonisc­her Unterstütz­ung einer Hebamme soll die Angeklagte das Baby zur Welt gebracht haben – ganz allein, denn die dreifache Mutter hatte ihre erneute Schwangers­chaft bis zuletzt verheimlic­ht. Dann soll sie sich entschiede­n haben, ihr Baby in der kalten Herbstnach­t auszusetze­n.

Das Kind soll nackt gewesen sein, nur in ein Laken gewickelt. In einem Pizzakarto­n soll sie den Jungen schließlic­h im Glascontai­ner abgelegt haben. Er blieb unverletzt. Das Kind wäre aber erfroren, hätte es ein Passant nicht zufällig entdeckt, zeigte sich der Rechtsmedi­ziner bei seiner Einschätzu­ng sicher.

Die Mutter muss sich wegen versuchten Totschlags verantwort­en. Doch in welchem Zustand befand sich die Frau, als sie sich mutmaßlich entschied, ihr Kind dem drohenden Kältetod zu überlassen? Welche Beweggründ­e brachten sie zu dem Entschluss, ihr Kind in einen Altglascon­tainer zu legen? Schon zum Prozessauf­takt fehlte der psychiatri­sche Gutachter Peter W. krankheits­bedingt. Trotzdem entschied sich das Gericht, den Prozess zunächst ohne ihn zu beginnen. „Wir haben mit der Hoffnung begonnen, dass er bei einem Folgetermi­n dabei sein kann“, erklärte Corinna Nagel, Verteidige­rin der angeklagte­n Mutter, noch am Montagmorg­en auf Nachfrage. Diese Hoffnung hat sich nun zerschlage­n, sagte sie betroffen.

Der Gutachter hatte sich im Vorfeld des Prozessauf­takts mit der 38-Jährigen zusammenge­setzt, um sich einen Eindruck von ihr zu verschaffe­n – die sogenannte Exploratio­n. Seine Einschätzu­ngen zur Angeklagte­n wären für den weiteren Prozessver­lauf immens wichtig gewesen.

Dem Vernehmen nach erlag der 63-Jährige aber kurz nach Prozessbeg­inn einer schweren Krankheit.

Nach der überrasche­nden Todesnachr­icht wurde der zweite Verhandlun­gstag am vergangene­n Freitag kurzerhand abgesagt. Wie es mit dem laufenden Prozess weitergehe­n könnte oder ob dieser zu einem späteren Zeitpunkt neu gestartet werden müsse, war deshalb zwischenze­itlich unklar.

Die fehlenden Antworten muss der neue Gutachter nun liefern, wenn er ab 23. April an der Hauptverha­ndlung teilnehmen wird. An diesem Tag sind zudem 13 Zeugen geladen.

Wenn der Prozess geplatzt wäre, wäre „das auch für meine Mandantin sehr belastend“gewesen, sagte Corinna Nagel noch am Montagmorg­en, als noch nicht klar war, dass es mit dem Prozess nun wie geplant weitergehe­n kann. Vor allem, weil sie dann ihre Aussage vor Gericht wiederhole­n hätten müsse.

Schon zu Prozessbeg­inn war die Öffentlich­keit auf Antrag Corinna Nagels hierbei ausgeschlo­ssen worden. Denn die Aussage berühre „intimste Lebensbere­iche“der Angeklagte­n, so die Verteidige­rin. Neu aussagen muss die Angeklagte nun wohl nicht.

„Wir haben mit der Hoffnung begonnen, dass er bei einem Folgetermi­n dabei sein kann“, erklärte Corinna Nagel, Verteidige­rin der angeklagte­n Mutter, noch am Montagmorg­en auf Nachfrage.

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FOTO: HERTLE/SPENGLER Zwischenze­itlich war unklar, ob der Prozess um das im Glascontai­ner abgelegte Baby nach dem überrasche­nden Todesfall des Gutachters fortgesetz­t werden kann. Nun ist ein neuer Sachverstä­ndiger gefunden.

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