Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gemeinsam gegen den Abwärtstrend
Evangelische Gemeinden Ulm und Blaubeuren fusionieren – Welche Vorteile sie sehen
- Die Zahl der Mitglieder sinkt, gleichzeitig wird es schwerer, Pfarrerinnen und Pfarrer zu finden: Diese Probleme wollen die evangelischen Kirchenbezirke Ulm und Blaubeuren mit einer Fusion auffangen. Jetzt gibt es grünes Licht dafür. Doch wie wirkt sich das auf die Gemeinden aus?
Wenn Dekan Torsten Krannich künftig seinen neuen evangelischen Kirchenbezirk Ulm/ Alb-Donau durchqueren möchte, benötigt er dafür bis zu einer Stunde. So lange dauert die Fahrt auf der längsten Strecke von Munderkingen im Südwesten des Bezirks bis Asselfingen im Nordosten. „Manchmal sage ich, da brauche ich dann wohl einen Pilotenschein“, scherzte Krannich bei einer Pressekonferenz am Montagmorgen. Doch für Humor war ansonsten wenig Raum: Denn die Fusion der beiden Kirchenbezirke ist die Folge einer ernsten Entwicklung: Die Kirchen verlieren seit Jahren massiv an Mitglieder.
Bei einer Bezirkssynode im Mai vergangenen Jahres hatte ein Vertreter der evangelischen Landeskirche Zahlen vorgelegt, die viele aufschreckten: Die Mitgliederzahl der Landeskirche in Württemberg liegt derzeit bei rund 1,86 Millionen. Doch schon 2055 könnte sie unter die Millionengrenze sinken. Die Statistik war eindeutig: Jedes Jahr geht rechnerisch gesehen ein mittlerer Kirchenbezirk verloren.
Das bedeutet nicht nur, dass vielerorts die Kirchenbänke leer bleiben, sondern auch, dass die Kirchen künftig mit deutlich weniger Geld auskommen müssen. Doch auch bei der Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer zeigt sich ein Abwärtstrend: Viele gehen in den Ruhestand, Nachwuchs ist rar.
Wie viele andere Bezirke haben daher jetzt auch Ulm und Blaubeuren beschlossen, zu fusionieren. Um künftig wenigstens weitgehend ihr Angebot aufrecht halten zu können. Rund 64.000 Gemeindemitglieder wird der neue Bezirk künftig zählen. Ulm hat derzeit knapp 43.000 Mitglieder, Blaubeuren etwa halb so viele.
Sowohl die Bezirkssynode in Blaubeuren als auch in Ulm haben Ende März grünes Licht für den Zusammenschluss gegeben. Zum Jahresbeginn 2026 sollen die Kirchengemeinden, die bisher zum Bezirk Blaubeuren gehören, dann an Ulm angegliedert werden. Der Ulmer Dekan leitet dann den neu gebildeten Bezirk „Ulm/ Alb-Donau“.
Im bisherigen Ulmer Bezirk werden künftig acht Pfarrstellen wegfallen, im Blaubeurer Bezirk drei. „Da gibt es auch nichts schönzureden“, erklärte der Blaubeurer Dekan Frithjof Schwesig. Pfarrstellen zu kürzen, sei aber eine „notwendige Zumutung“. Und der Ulmer Dekan Torsten Krannich fügte hinzu: „Die Situation ist so brutal hart, da können wir nicht mehr so weitermachen wie bisher.“Da sei inzwischen allen klar geworden.
Dennoch spüre er auch eine „Aufbruchsstimmung, auch wenn es schwer ist“.
Der Fusionsdruck sei inzwischen auch bei den einzelnen Kirchengemeinden groß. Um die Gemeinden dabei zu unterstützen, wird es künftig eine Pfarrstelle geben, die sich vor allem um „Transformationsfragen“kümmern soll. Insgesamt 24 Gemeinden zählt der Bezirk Blaubeuren bislang, 37 der Bezirk Ulm. Bezirkspressesprecher Eberhard Fuhr betonte: „Keine Gemeinde wird gezwungen, zu fusionieren.“
Die Auswirkungen des Pfarrermangels werden künftig auch noch stärker vor Ort zu spüren sein. „Weniger Pfarrer bedeuten auch weniger Gottesdienste“, erklärte Dekan Schwesig. Er erhofft sich aber eine größere Vielfalt bei den Gottesdienstangeboten. Er selbst scheidet eigentlich in gut einem Jahr aus, will die Fusion aber noch mitgestalten und bleibt daher bis Anfang 2026 im Amt.
Danach soll die Stelle in Blaubeuren dann ausschließlich zu einer Stellvertreterstelle für den Ulmer Dekan werden, als eine etwas höher als üblich dotierte Pfarrstelle. Denkbar sei, dass Blaubeuren dann besondere Schwerpunkte im Gesamtbezirk im Fokus halte, wie etwa die Kirchenmusik.
Die Fusion sei notwendig, daran lassen beide Dekane aus Ulm und Blaubeuren keine Zweifel. Beide glauben aber auch, dass diese auf lange Sicht gesehen nur ein Etappenziel ist. „Ich bin davon überzeugt, dass das nicht reichen wird“, erklärte Torsten Krannich. Denkbar sei etwa eine weitere Fusion mit einem Nachbarbezirk, fügte Frithjof Schwesig hinzu. Zumindest durch das nächste Jahrzehnt aber sollte die jetzige Entscheidung die Kirchengemeinden tragen.