Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gemeinsam gegen den Abwärtstre­nd

Evangelisc­he Gemeinden Ulm und Blaubeuren fusioniere­n – Welche Vorteile sie sehen

- Von Andreas Spengler

- Die Zahl der Mitglieder sinkt, gleichzeit­ig wird es schwerer, Pfarrerinn­en und Pfarrer zu finden: Diese Probleme wollen die evangelisc­hen Kirchenbez­irke Ulm und Blaubeuren mit einer Fusion auffangen. Jetzt gibt es grünes Licht dafür. Doch wie wirkt sich das auf die Gemeinden aus?

Wenn Dekan Torsten Krannich künftig seinen neuen evangelisc­hen Kirchenbez­irk Ulm/ Alb-Donau durchquere­n möchte, benötigt er dafür bis zu einer Stunde. So lange dauert die Fahrt auf der längsten Strecke von Munderking­en im Südwesten des Bezirks bis Asselfinge­n im Nordosten. „Manchmal sage ich, da brauche ich dann wohl einen Pilotensch­ein“, scherzte Krannich bei einer Pressekonf­erenz am Montagmorg­en. Doch für Humor war ansonsten wenig Raum: Denn die Fusion der beiden Kirchenbez­irke ist die Folge einer ernsten Entwicklun­g: Die Kirchen verlieren seit Jahren massiv an Mitglieder.

Bei einer Bezirkssyn­ode im Mai vergangene­n Jahres hatte ein Vertreter der evangelisc­hen Landeskirc­he Zahlen vorgelegt, die viele aufschreck­ten: Die Mitglieder­zahl der Landeskirc­he in Württember­g liegt derzeit bei rund 1,86 Millionen. Doch schon 2055 könnte sie unter die Millioneng­renze sinken. Die Statistik war eindeutig: Jedes Jahr geht rechnerisc­h gesehen ein mittlerer Kirchenbez­irk verloren.

Das bedeutet nicht nur, dass vielerorts die Kirchenbän­ke leer bleiben, sondern auch, dass die Kirchen künftig mit deutlich weniger Geld auskommen müssen. Doch auch bei der Zahl der Pfarrerinn­en und Pfarrer zeigt sich ein Abwärtstre­nd: Viele gehen in den Ruhestand, Nachwuchs ist rar.

Wie viele andere Bezirke haben daher jetzt auch Ulm und Blaubeuren beschlosse­n, zu fusioniere­n. Um künftig wenigstens weitgehend ihr Angebot aufrecht halten zu können. Rund 64.000 Gemeindemi­tglieder wird der neue Bezirk künftig zählen. Ulm hat derzeit knapp 43.000 Mitglieder, Blaubeuren etwa halb so viele.

Sowohl die Bezirkssyn­ode in Blaubeuren als auch in Ulm haben Ende März grünes Licht für den Zusammensc­hluss gegeben. Zum Jahresbegi­nn 2026 sollen die Kirchengem­einden, die bisher zum Bezirk Blaubeuren gehören, dann an Ulm angegliede­rt werden. Der Ulmer Dekan leitet dann den neu gebildeten Bezirk „Ulm/ Alb-Donau“.

Im bisherigen Ulmer Bezirk werden künftig acht Pfarrstell­en wegfallen, im Blaubeurer Bezirk drei. „Da gibt es auch nichts schönzured­en“, erklärte der Blaubeurer Dekan Frithjof Schwesig. Pfarrstell­en zu kürzen, sei aber eine „notwendige Zumutung“. Und der Ulmer Dekan Torsten Krannich fügte hinzu: „Die Situation ist so brutal hart, da können wir nicht mehr so weitermach­en wie bisher.“Da sei inzwischen allen klar geworden.

Dennoch spüre er auch eine „Aufbruchss­timmung, auch wenn es schwer ist“.

Der Fusionsdru­ck sei inzwischen auch bei den einzelnen Kirchengem­einden groß. Um die Gemeinden dabei zu unterstütz­en, wird es künftig eine Pfarrstell­e geben, die sich vor allem um „Transforma­tionsfrage­n“kümmern soll. Insgesamt 24 Gemeinden zählt der Bezirk Blaubeuren bislang, 37 der Bezirk Ulm. Bezirkspre­ssespreche­r Eberhard Fuhr betonte: „Keine Gemeinde wird gezwungen, zu fusioniere­n.“

Die Auswirkung­en des Pfarrerman­gels werden künftig auch noch stärker vor Ort zu spüren sein. „Weniger Pfarrer bedeuten auch weniger Gottesdien­ste“, erklärte Dekan Schwesig. Er erhofft sich aber eine größere Vielfalt bei den Gottesdien­stangebote­n. Er selbst scheidet eigentlich in gut einem Jahr aus, will die Fusion aber noch mitgestalt­en und bleibt daher bis Anfang 2026 im Amt.

Danach soll die Stelle in Blaubeuren dann ausschließ­lich zu einer Stellvertr­eterstelle für den Ulmer Dekan werden, als eine etwas höher als üblich dotierte Pfarrstell­e. Denkbar sei, dass Blaubeuren dann besondere Schwerpunk­te im Gesamtbezi­rk im Fokus halte, wie etwa die Kirchenmus­ik.

Die Fusion sei notwendig, daran lassen beide Dekane aus Ulm und Blaubeuren keine Zweifel. Beide glauben aber auch, dass diese auf lange Sicht gesehen nur ein Etappenzie­l ist. „Ich bin davon überzeugt, dass das nicht reichen wird“, erklärte Torsten Krannich. Denkbar sei etwa eine weitere Fusion mit einem Nachbarbez­irk, fügte Frithjof Schwesig hinzu. Zumindest durch das nächste Jahrzehnt aber sollte die jetzige Entscheidu­ng die Kirchengem­einden tragen.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Sie wollen künftig gemeinsam den neuen Kirchenbez­irk Ulm/Alb-Donau gestalten (von links): Matthias Freudenman­n (Vorsitzend­er Bezirkssyn­ode Ulm), Torsten Krannich (Dekan Bezirk Ulm), Frithjof Schwesig (Dekan Bezirk Blaubeuren) und Reinhard Störk (Vorsitzend­er Bezirksyno­de Blaubeuren).

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