Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vier Ansprachen in fünf Stunden

In Venedig zeigt sich Papst Franziskus in Form – Generalpro­be für ein Jahr voller Reisen

- Von Ludwig Ring-Eifel

(KNA) - Mit einem Besuch bei der Biennale in Venedig hat Papst Franziskus am Sonntag sein umfangreic­hes Reiseprogr­amm dieses Jahres begonnen. Nach gesundheit­lichen und kirchenpol­itischen Krisen stehen für den 87Jährigen in den kommenden Monaten etliche Projekte und Premieren an.

Nach dem Besuch in Venedig folgt Mitte Juni als zweite Weltpremie­re seine Teilnahme als Gast beim G7-Treffen der führenden demokratis­chen Industrien­ationen in Apulien. Hier will sich der Papst als moralische Autorität in die weltweite Debatte um die Nutzung Künstliche­r Intelligen­z einbringen.

Im September beginnt die zeitlich und streckenmä­ßig längste Reise seiner Amtszeit; nach Ostasien und in den Pazifikrau­m. Und im Oktober werden unter seiner Führung erstmals in der Kirchenges­chichte im Vatikan auch Laien (darunter Frauen) über Reformvors­chläge für die gesamte katholisch­e Kirche mit abstimmen.

Dazwischen sind weitere Besuche in Europa geplant. Als Ziele wurden bisher Verona, Triest und Löwen genannt. Eine Ansprache vor den Vereinten Nationen in News York steht ebenso im Raum wie ein Flug nach Argentinie­n — auch wenn die Reise in die von wirtschaft­lichen Turbulenze­n geplagte Heimat des Papstes noch nicht ganz spruchreif ist.

Die erste Premiere des Jahres — noch nie zuvor hat ein Papst die internatio­nale Kunstausst­ellung Biennale in Venedig besucht — wirkte in diesem Kontext wie eine gelungene Generalpro­be. In der Lagunensta­dt zeigte sich Franziskus bestens gelaunt und verhältnis­mäßig fit.

Seine Begegnung mit Künstlern und Insassinne­n in der Frauenhaft­anstalt Venedigs setzte alte und neue Akzente. Anknüpfend an den Konzilspap­st Paul VI. (1963-1978) beschwor er eine neu zu entdeckend­e Nähe von Kirche und zeitgenöss­ischer Kunst. Zugleich mahnte er die Kunstschaf­fenden, sich nicht von den Bedingunge­n des Marktes ihre Kreativitä­t rauben zu lassen.

Ansonsten folgten seine Gesten und Ansprachen jenen Schwerpunk­ten, die seine Amtszeit seit

nunmehr elf Jahren ausmachen. So ging er auch in Venedig geografisc­h und gesellscha­ftlich zunächst „an die Ränder“. Ausgangspu­nkt war für ihn die Insel Giudecca, die Schmuddels­eite Venedigs. Auf dem etwas abseits gelegenen Inselstran­g entsorgten die Venezianer einst ihren Müll; das Gift liegt dort bis heute. Und noch immer leben dort in schimmelig­en Sozialwohn­ungen Menschen, die als Kellner oder Reinigungs­kräfte das Weltwunder Venedig am Laufen halten.

Zudem ist die Giudecca die Insel der Verurteilt­en. In dem Frauengefä­ngnis, das der Vatikan als Ausstellun­gspavillon für sich entdeckte, versuchten Nonnen schon im 19. Jahrhunder­t, Frauen, die mit dem Gesetz in Konf likt gekommen waren, auf den Pfad der Tugend zurückzubr­ingen. Die Begegnung

von Papst Franziskus mit den Insassinne­n war von Herzlichke­it und Emotionen geprägt. Es schien, dass ihm dieser Teil mehr am Herzen lag als die innovative Rede über das Miteinande­r von Kirche und Kunst.

Herzlich war auch die Begegnung mit den Jugendlich­en aus der Region Veneto auf der zweiten Insel, im Stadtteil Dorsoduro. Wie so oft bei seinen Begegnunge­n mit jungen Menschen standen einfache Botschafte­n im Mittelpunk­t. „Nimm das Leben in die Hand, misch dich ein. Mach den Fernseher aus und öffne das Evangelium; lass dein Handy liegen und triff Menschen!“, so der Appell des Papstes.

Erst am Ende seines Tagesbesuc­hs betrat der Papst Venedigs Hauptinsel. Über eine Pontonbrüc­ke fuhr er mit einem Papamobil bis zum Markusplat­z. Seine Predigt dort vertiefte zwei Dauertheme­n seines Pontifikat­s: zunächst die Ökologie und dann die Vision des christlich­en Glaubens, der nichts Statisches habe, sondern stets in Dialog und in Bewegung bleibe und weitergege­ben wird.

Die durch Klimawande­l bedrohte Lagunensta­dt und die Region Veneto, die als ein Kraftzentr­um der katholisch­en Kirche Italiens gilt, bot für beides eine Steilvorla­ge. Der Appell des Papstes, sich für die Bewahrung ihrer Stadt einzusetze­n und als Christen nicht zu vertrockne­n, sondern einen lebendigen Glauben zu leben, quittierte­n die anwesenden Venezianer mit Applaus.

 ?? FOTOS: ALESSANDRA TARANTINO/DPA ?? Papst Franziskus (Boot vorne) wird bei seiner Ankunft von Gondolieri begrüßt. Der Papst ist zu seinem allererste­n Besuch in der Lagunensta­dt eingetroff­en, bei dem er auch den Pavillon des Vatikans auf der 60. Biennale der Künste besuchen will.
FOTOS: ALESSANDRA TARANTINO/DPA Papst Franziskus (Boot vorne) wird bei seiner Ankunft von Gondolieri begrüßt. Der Papst ist zu seinem allererste­n Besuch in der Lagunensta­dt eingetroff­en, bei dem er auch den Pavillon des Vatikans auf der 60. Biennale der Künste besuchen will.
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Papst Franziskus kommt auf dem Markusplat­z an, um eine Messe in Venedig zu feiern.

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