Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Millionen für Metallschrott
Niederländer soll mehr als 1000 Skulpturen von Alberto Giacometti gefälscht haben – Prozess in Stuttgart
STUTTGART (dpa) - Von heute an steht ein mutmaßlicher Kunstfälscher in Stuttgart vor Gericht. Der 56-Jährige soll weit mehr als 1000 Skulpturen von Alberto Giacometti (1901-1966) gefälscht haben. Die Plagiate wurden in Deutschland für Millionen an vermögende Kunstsammler verkauft. Der Angeklagte sitzt seit 2014 in Untersuchungshaft. Der Niederländer lebte seit 2004 in Thailand und wurde im vergangenen Sommer bei einem Besuch in seiner holländischen Heimat festgenommen.
Es ist ein Kriminalfall ohne Beispiel: Die Bande fliegt auf, als 2009 einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg gefälschte Skulpturen zu einem Kaufpreis von 1,3 Millionen Euro angeboten werden. In Mainz wird kurz darauf ein geheimes Lager mit 1000 gefälschten Bronzen ausgehoben. Die Skulpturen tragen Giacomettis Signaturen und gefälschte Stempel seiner Gießwerkstätten.
Laut Anklage geht es um eine Betrugssumme von mehr als acht Millionen Euro. Zudem soll die Bande versucht haben, weitere Skulpturen für über 50 Millionen Euro zu verkaufen. Experten vergleichen den Angeklagten bereits mit anderen spektakulären Skandalen – etwa dem um den „Fälscherfürsten“Wolfgang Beltracchi, der 2011 sechs Jahr hinter Gitter musste und der die Vorlage für den Kinofilm „Die Kunst der Fälschung“lieferte.
Die Helfer des Angeklagten sind bereits im Gefängnis. Gut neun Jahre bekam ein Mann, der sich als „Reichsgraf von Waldstein“und Freund von Alberto Giacomettis Bruder Diego ausgab. Er erzählte seinen Kunden, die Skulpturen stammten aus einem von den Erben Giacomettis geheim gehaltenen Fundus. Die fantasievolle Legende soll das dritte Mitglied der Bande erfunden haben, ein Mainzer Antiquitätenhändler. Er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, drei Mitläufer zu Bewährungsstrafen. Fälschungen: Diese GiacomettiPlagiate hat die Stuttgarter Polizei beschlagnahmt. Der Bildhauer, Maler und Grafiker lebte von 1901 bis 1966. Er ist einer der großen Künstler des 20. Jahrhunderts. Weltberühmt wurde der Schweizer durch seine langgestreckten FigurenSkulpturen. Seine Werke bringen bei Auktionen zum Teil dreistellige Millionensummen und gelten als derzeit teuerste gehandelte Skulpturen auf dem Kunstmarkt. Sehr bekannt ist unter anderem Giacomettis Figur eines schreitenden Mannes, die auch die Rückseite der Schweizer 100-Franken-Banknote ziert. Schätzungen gehen davon aus, dass Giacometti rund 500 Unikate insgesamt produziert hat – und eben nicht über 1000 wie der 56-Jährige, der ab heute in Stuttgart auf der Anklagebank sitzt. (dpa)