Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Professoren unterstellen der Rektorin Eigennutz
Trotz einer laufenden Gesetzesänderung zieht die Hochschule die Wahl nach dem alten Verfahren durch
SIGMARINGEN - Bereits ein Jahr und vier Monate vor dem Ende der Amtszeit von Hochschulrektorin Ingeborg Mühldorfer ist die Stelle ausgeschrieben worden. Dieser lange Vorlauf löst unter den Professoren Kritik aus. „Diese frühe Ausschreibung hat in der Tat ein Geschmäckle und wäre bei sorgfältiger Planung unnötig. Andere Hochschulen schaffen es auch, ihr Rektorat innerhalb von zwölf Monaten zu besetzen“, sagt Peter Heusch, der Landesvorsitzende des Verbands Hochschule und Wissenschaft.
Der Verdacht: Die unter der Professorenschaft umstrittene Rektorin Ingeborg Mühldorfer will sich durch die frühzeitige Ausschreibung die Mehrheit in den Wahlgremien sichern. Bislang hat die Hochschulleitung im Senat, in dem die Wahl erfolgt, mit einem knappen Drittel der Stimmen ein großes Gewicht. Künftig sollen aber die Professoren einen größeren Einfluss auf die Wahl bekommen. Dies hat der Verfassungsgerichtshof entschieden. Doch diese Neuregelung wird erst im Frühjahr greifen – bis dahin ist die Wahl voraussichtlich längst gelaufen.
Eine am 24. Mai in der Wochenzeitung „Die Zeit“veröffentlichte Stellenanzeige hat an der Sigmaringer Hochschule den Kamm einiger Professoren weiter anschwellen lassen. Laut der Anzeige ist der Chefposten in der Anton-Günther-Straße zum 1. Oktober 2018 für die Dauer von sechs bis acht Jahren neu zu besetzen. Wie in solchen Anzeigen üblich, wird darauf hingewiesen, dass mit der Bewerbung der Amtsinhaberin zu rechnen ist. Diese ist zwischenzeitlich erfolgt, wie Ingeborg Mühldorfer auf Anfrage bestätigt. Zu der Kritik an ihrer Wiederwahl will sie sich mit dem Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.
Mühldorfer hat die Sigmaringer Hochschule im Oktober 2012 übernommen: Seither lässt sie kaum einen Stein auf dem anderen, beobachten die Professoren. Sie hat eine Reihe von neuen Studiengängen etabliert, Bauprojekte angestoßen und gilt als eine der Drahtzieherinnen für den Innovationscampus, der in Sigmaringen auf dem früheren Areal der Kaserne entsteht. Aus der betulichen Hochschule ist ein sich rasant wandelnder Wissenschaftsbetrieb geworden, dessen Studierendenzahlen stetig steigen. „Die Rektorin führt die Hochschule wie einen Industriebetrieb“, sagt ein Sigmaringer Professor, der anonym bleiben möchte. Soll heißen: Wenn Mühldorfer eine Ansage macht, müssen die Mitarbeiter gehorchen.
Die Professoren sind dies nicht gewohnt, denn sie sind der Rektorin
„Es gibt Vorbehalte gegen die Rektorin, weil die Demokratie an der Hochschule in Gefahr ist“,
Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen steht in der Kritik, weil sie die Rektorenstelle bereits ein Jahr und vier Monate vor Ablauf der Amtszeit ausschreibt. nicht weisungsgebunden, wie es in Deutschland im Gegensatz zu angelsächsischen Hochschulen üblich ist. „Es gibt Vorbehalte gegen die Rektorin, weil die Demokratie an der Hochschule in Gefahr ist“, beschreibt der Professor einen Hauptkritikpunkt. Aus diesem Grund hätten sich viele Professoren gewünscht, dass der Rektor nach dem neuen Verfahren gewählt wird. Doch dazu wird es nicht kommen, denn die Bewerbungsfrist endet bereits Anfang August. sagt ein Professor.
Ein Professor hat den Verfassungsgerichtshof angerufen
Um die Kritik der Sigmaringer Professoren verstehen zu können, muss man wissen: Einer ihrer Kollegen aus Karlsruhe hatte den Verfassungsgerichtshofs angerufen, weil er der Meinung ist, dass die im Landeshochschulgesetz festgelegten Regelungen zur Rektorenwahl nicht mit der in der Landesverfassung verankerten Wissenschaftsfreiheit vereinbar sind. Die Richter hatten dem Kläger Recht gegeben und das Land aufgefordert, das Gesetz bis März 2018 zu überarbeiten.
Bei der Wahl eines Rektors müssten die Hochschullehrer ein entscheidendes Gewicht haben, so die Vorgabe des höchsten Gerichts in Baden-Württemberg. Da die Professoren die Träger der Wissenschaftsfreiheit seien, könne nicht gegen ihren Willen ein Rektor gewählt werden, so die Richter.
Ein Insider der Hochschule teilt unserer Zeitung mit: „Eine Wahl nach März 2018 könnte für die Amtsinhaberin ungünstig sein.“Der Rektorin Ingeborg Mühldorfer Grund: Die Prorektoren und die Dekane zählen laut Gericht künftig nicht mehr als Hochschullehrer. Deshalb sollen sich die Gewichtsverhältnisse im Senat zugunsten der Professoren ändern, die im Sigmaringer Senat aktuell lediglich ein Viertel der Stimmen haben. Neben dem Senat wählt der Hochschulrat den Rektor.
Laut dem jetzigen Gesetz sind alle Rektoratsmitglieder stimmberechtigt. „Frau Mühldorfer kann sich auf die Stimmen ihrer Haus- und Hofhunde verlassen“, sagt ein früherer Professor, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte. Laut der Einschätzung verschiedener Beobachter gilt ihre Wiederwahl nach dem alten Gesetz als gesichert. schreibt ein Hochschul-Insider.
Ministerium: Das Gesetz gibt keine Fristen vor
Ein Bürgermeister könne sich auch nicht darauf berufen, dass er gerne ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit wissen wolle, wie es mit ihm weitergeht, schreibt der Hochschul-Kenner. Eine Anfrage beim Wissenschaftsministerium des Landes ergibt, dass das Gesetz zur Rektorenwahl keine Fristen vorgibt. Eine Ausschreibung ein Jahr vorher betrachtet das Ministerium als angemessen, schreibt Sprecherin Denise Burgert.
Der Vorsitzende des Hochschulrats, Udo J. Vetter, teilt auf Anfrage mit: „Der Hochschulrat hat die Terminsituation evaluiert und aus Erfahrung das Verfahren eröffnet und die nun nötigen Gremien einberufen.“
Juristisch scheint das Wahlverfahren einwandfrei zu sein. „Aber was juristisch nicht zu beanstanden ist, muss moralisch noch längst nicht sauber sein“, sagt ein anderer Professor. Der Landesverband Hochschule und Wissenschaft jedenfalls weiß von anderen Hochschulen, die das Wahlverfahren deutlich zügiger über die Bühne bekommen und vergleicht die Praxis an der Sigmaringer Hochschule mit dem „Beförderungswahn“, der bei einem Regierungswechsel immer wieder zu beobachten sei.
„Eine Wahl nach März 2018 könnte für die Amtsinhaberin ungünstig sein“,