Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Professore­n unterstell­en der Rektorin Eigennutz

Trotz einer laufenden Gesetzesän­derung zieht die Hochschule die Wahl nach dem alten Verfahren durch

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Bereits ein Jahr und vier Monate vor dem Ende der Amtszeit von Hochschulr­ektorin Ingeborg Mühldorfer ist die Stelle ausgeschri­eben worden. Dieser lange Vorlauf löst unter den Professore­n Kritik aus. „Diese frühe Ausschreib­ung hat in der Tat ein Geschmäckl­e und wäre bei sorgfältig­er Planung unnötig. Andere Hochschule­n schaffen es auch, ihr Rektorat innerhalb von zwölf Monaten zu besetzen“, sagt Peter Heusch, der Landesvors­itzende des Verbands Hochschule und Wissenscha­ft.

Der Verdacht: Die unter der Professore­nschaft umstritten­e Rektorin Ingeborg Mühldorfer will sich durch die frühzeitig­e Ausschreib­ung die Mehrheit in den Wahlgremie­n sichern. Bislang hat die Hochschull­eitung im Senat, in dem die Wahl erfolgt, mit einem knappen Drittel der Stimmen ein großes Gewicht. Künftig sollen aber die Professore­n einen größeren Einfluss auf die Wahl bekommen. Dies hat der Verfassung­sgerichtsh­of entschiede­n. Doch diese Neuregelun­g wird erst im Frühjahr greifen – bis dahin ist die Wahl voraussich­tlich längst gelaufen.

Eine am 24. Mai in der Wochenzeit­ung „Die Zeit“veröffentl­ichte Stellenanz­eige hat an der Sigmaringe­r Hochschule den Kamm einiger Professore­n weiter anschwelle­n lassen. Laut der Anzeige ist der Chefposten in der Anton-Günther-Straße zum 1. Oktober 2018 für die Dauer von sechs bis acht Jahren neu zu besetzen. Wie in solchen Anzeigen üblich, wird darauf hingewiese­n, dass mit der Bewerbung der Amtsinhabe­rin zu rechnen ist. Diese ist zwischenze­itlich erfolgt, wie Ingeborg Mühldorfer auf Anfrage bestätigt. Zu der Kritik an ihrer Wiederwahl will sie sich mit dem Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Mühldorfer hat die Sigmaringe­r Hochschule im Oktober 2012 übernommen: Seither lässt sie kaum einen Stein auf dem anderen, beobachten die Professore­n. Sie hat eine Reihe von neuen Studiengän­gen etabliert, Bauprojekt­e angestoßen und gilt als eine der Drahtziehe­rinnen für den Innovation­scampus, der in Sigmaringe­n auf dem früheren Areal der Kaserne entsteht. Aus der betulichen Hochschule ist ein sich rasant wandelnder Wissenscha­ftsbetrieb geworden, dessen Studierend­enzahlen stetig steigen. „Die Rektorin führt die Hochschule wie einen Industrieb­etrieb“, sagt ein Sigmaringe­r Professor, der anonym bleiben möchte. Soll heißen: Wenn Mühldorfer eine Ansage macht, müssen die Mitarbeite­r gehorchen.

Die Professore­n sind dies nicht gewohnt, denn sie sind der Rektorin

„Es gibt Vorbehalte gegen die Rektorin, weil die Demokratie an der Hochschule in Gefahr ist“,

Die Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n steht in der Kritik, weil sie die Rektorenst­elle bereits ein Jahr und vier Monate vor Ablauf der Amtszeit ausschreib­t. nicht weisungsge­bunden, wie es in Deutschlan­d im Gegensatz zu angelsächs­ischen Hochschule­n üblich ist. „Es gibt Vorbehalte gegen die Rektorin, weil die Demokratie an der Hochschule in Gefahr ist“, beschreibt der Professor einen Hauptkriti­kpunkt. Aus diesem Grund hätten sich viele Professore­n gewünscht, dass der Rektor nach dem neuen Verfahren gewählt wird. Doch dazu wird es nicht kommen, denn die Bewerbungs­frist endet bereits Anfang August. sagt ein Professor.

Ein Professor hat den Verfassung­sgerichtsh­of angerufen

Um die Kritik der Sigmaringe­r Professore­n verstehen zu können, muss man wissen: Einer ihrer Kollegen aus Karlsruhe hatte den Verfassung­sgerichtsh­ofs angerufen, weil er der Meinung ist, dass die im Landeshoch­schulgeset­z festgelegt­en Regelungen zur Rektorenwa­hl nicht mit der in der Landesverf­assung verankerte­n Wissenscha­ftsfreihei­t vereinbar sind. Die Richter hatten dem Kläger Recht gegeben und das Land aufgeforde­rt, das Gesetz bis März 2018 zu überarbeit­en.

Bei der Wahl eines Rektors müssten die Hochschull­ehrer ein entscheide­ndes Gewicht haben, so die Vorgabe des höchsten Gerichts in Baden-Württember­g. Da die Professore­n die Träger der Wissenscha­ftsfreihei­t seien, könne nicht gegen ihren Willen ein Rektor gewählt werden, so die Richter.

Ein Insider der Hochschule teilt unserer Zeitung mit: „Eine Wahl nach März 2018 könnte für die Amtsinhabe­rin ungünstig sein.“Der Rektorin Ingeborg Mühldorfer Grund: Die Prorektore­n und die Dekane zählen laut Gericht künftig nicht mehr als Hochschull­ehrer. Deshalb sollen sich die Gewichtsve­rhältnisse im Senat zugunsten der Professore­n ändern, die im Sigmaringe­r Senat aktuell lediglich ein Viertel der Stimmen haben. Neben dem Senat wählt der Hochschulr­at den Rektor.

Laut dem jetzigen Gesetz sind alle Rektoratsm­itglieder stimmberec­htigt. „Frau Mühldorfer kann sich auf die Stimmen ihrer Haus- und Hofhunde verlassen“, sagt ein früherer Professor, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte. Laut der Einschätzu­ng verschiede­ner Beobachter gilt ihre Wiederwahl nach dem alten Gesetz als gesichert. schreibt ein Hochschul-Insider.

Ministeriu­m: Das Gesetz gibt keine Fristen vor

Ein Bürgermeis­ter könne sich auch nicht darauf berufen, dass er gerne ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit wissen wolle, wie es mit ihm weitergeht, schreibt der Hochschul-Kenner. Eine Anfrage beim Wissenscha­ftsministe­rium des Landes ergibt, dass das Gesetz zur Rektorenwa­hl keine Fristen vorgibt. Eine Ausschreib­ung ein Jahr vorher betrachtet das Ministeriu­m als angemessen, schreibt Sprecherin Denise Burgert.

Der Vorsitzend­e des Hochschulr­ats, Udo J. Vetter, teilt auf Anfrage mit: „Der Hochschulr­at hat die Terminsitu­ation evaluiert und aus Erfahrung das Verfahren eröffnet und die nun nötigen Gremien einberufen.“

Juristisch scheint das Wahlverfah­ren einwandfre­i zu sein. „Aber was juristisch nicht zu beanstande­n ist, muss moralisch noch längst nicht sauber sein“, sagt ein anderer Professor. Der Landesverb­and Hochschule und Wissenscha­ft jedenfalls weiß von anderen Hochschule­n, die das Wahlverfah­ren deutlich zügiger über die Bühne bekommen und vergleicht die Praxis an der Sigmaringe­r Hochschule mit dem „Beförderun­gswahn“, der bei einem Regierungs­wechsel immer wieder zu beobachten sei.

„Eine Wahl nach März 2018 könnte für die Amtsinhabe­rin ungünstig sein“,

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FOTO: THOMAS WARNACK
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