Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kindeswohl ist oberster Maßstab
Heute stimmt der Bundestag über die „Ehe für alle“ab. Homosexuelle Paare sollen heterosexuellen Eheleuten dadurch gesetzlich weitgehend gleichgestellt werden und ebenfalls den Bund der Ehe eingehen können. Bisher können sie sich lediglich für eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen.
Bei der „Ehe für alle“würden sich vor allem die Regeln für die Adoption von Kindern ändern. Bislang sind ausschließlich die sogenannte „Stiefkind-“und die „Sukzessivadoption“möglich. Seit 2005 ist es Schwulen und Lesben gestattet, das leibliche Kind des Partners anzunehmen. Zudem können sie seit 2014 auch ein Kind, das zuvor von ihrem Lebenspartner adoptiert wurde, annehmen (Sukzessivadoption). Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2013 hervor. Gemeinsam ein eigenes Kind adoptieren können sie jedoch bislang nicht. Das ist der letzte wesentliche Unterschied zu Ehepaaren.
Gründliche Prüfung der Bewerber
Die Kritiker der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben argumentieren häufig, das „Kindeswohl“sei gefährdet, sollten zwei Frauen beziehungsweise zwei Männer ein adoptiertes Kind großziehen. Dabei gelten für die Adoption von Kindern strenge Regeln, Bewerber müssen sich vielen Fragen stellen und zahlreiche Voraussetzungen erfüllen.
„Eine Adoption ist nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient, und zu erwarten ist, dass zwischen den Adoptiveltern und dem Kind ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entsteht“, erklärt Reinhold Grüner, Leiter des Jugendhilfe-Service-Referats und der Zentralen Adoptionsstelle beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg.
Alleiniger Maßstab für eine Adoption, egal ob für homo- oder heterosexuelle Paare, sei das Kindeswohl. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2013 laut Grüner festgestellt, dass die „behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern (…) wie in einer Ehe“.
Ob diese Verhältnisse gewährleistet sind, werde in einer „umfassenden und eingehenden Eignungsüberprüfung“durch die Adoptionsvermittlungsstellen festgestellt. Der Überprüfung müssten sich alle Bewerber unterziehen, unabhängig von Geschlecht und Familienstand. Einer der Partner muss mindestens 25 und der andere mindestens 21 Jahre alt sein.
Die Sachbearbeiter prüfen rechtliche Aspekte und soziale Faktoren. Dazu gehören der Nachweis über die körperliche und geistige Gesundheit der Bewerber, ausreichend Wohnraum und finanzielle Sicherheit. Die Paare müssen medizinische Atteste und polizeiliche Führungszeugnisse einreichen. Darüber hinaus gehört auch ein ausführliches Gespräch über die Persönlichkeit der Bewerber und über ihre Motivation zum Verfahren. Das werde sich laut Grüner auch bei der „Ehe für alle“nicht ändern.
Entscheiden die Adoptionsvermittlungsstellen positiv über die Eignung eines Paares, machen die örtlich zuständigen Familiengerichte den Weg zu einer Adoption frei.