Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Ein Kind hat Mutter und Vater – immer“
RAVENSBURG - Thomas Sternberg, Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Foto: dpa), hält den Beschluss des Bundestags für rechtlich fragwürdig – und äußert Verständnis für Abgeordnete, die zugestimmt haben. Ulrich Mendelin hat ihn befragt.
Der Katholik Winfried Kretschmann argumentiert, es könne nicht Aufgabe des Staates sein, Bürgern eine Lebensweise zu verweigern, die anderen gar nicht schadet. Würden Sie zustimmen?
Die Frage von Herrn Kretschmann ist richtig und wichtig: Was interessiert den Staat bei Lebensweisen? Der Staat hat Interesse an Ehe und Familie, weil in Ehe und Familie zu einem großen Prozentsatz Kinder aufwachsen und damit die Zukunft des Staates gewährleistet wird. Er hat allerdings auch Interesse an V er antwortungs gemeinschaften. Was nicht im Interesse des Staates ist, irgendeine Reglementierung der Sexualität. Die geht ihn nichts an, sofern nicht Rechte Dritter berührt werden.
Die gelebte Verantwortungsgemeinschaft – auch von gleichgeschlechtlichen Paaren – ist ein Argument der Befürworter der „Ehe für alle“.
Niemand bestreitet, dass V er antwortungs gemeinschaften gefördert werden sollen. Das geschieht ja auch schon heute. Die Frage ist doch, ob der Begriff Ehe notwendig ist, um Diskriminierung zu vermeiden. Die kann zum Beispiel entstehen, wenn Menschen zum Outing gezwungen werden, weil in ihrem Pass „verpartnert“steht. Das geht nicht. Für solche Probleme hätte man aber Lösungen finden können.
Was spricht denn aus Ihrer Sicht gegen die „Ehe für alle“?
Ich würde dieses jahrhundertelang geprägte Bild von Ehe und Familie nicht einfach so über Bord werfen. Außerdem stelle ich infrage, ob der Beschluss des Bundestags rechtlich tragfähig ist – der Antrag war ja sehr knapp und sehr einfach. Ich habe aber Verständnis für diejenigen Abgeordneten, die ihm zugestimmt haben. Man sollte sich davor hüten zu sagen, es gibt eine katholische Position, und die andere Seite ist davon abgewichen. Das gilt übrigens für die evangelischen Glaubensgeschwister genauso. Die evangelische Kirche hat sich zur „Ehe für alle“positiv geäußert. Aber der evangelische Fraktionsvorsitzende Volker Kauder und die evangelische Bundeskanzlerin Angela Merkel haben ganz anders abgestimmt. Vielleicht handelt es sich auch um eine Generationenfrage. Meine eigenen Kinder sehen das durchaus anders als ich.
Die katholische Kirche bezieht sich in ihrer Argumentation auf das Sakrament der Ehe. Der Bundestag bezieht sich mit seiner Entscheidung auf den juristischen Begriff Ehe. Werden hier unter einem Begriff zwei Ebenen miteinander vermengt?
Die kirchliche Auffassung der Ehe und die staatliche Auffassung der Ehe rücken noch weiter auseinander. Das ganze staatliche Eherecht ist ja aus dem kirchlichen Eherecht übernommen worden. Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil war auch in der Kirche die Ehe vor allem ein Rechtsvertrag. Erst mit dem zweiten Vatikanum kam der Gedanke der Partnerschaft richtigerweise hinzu.
Entspricht es Ihrem Begriff einer Familie, wenn zwei homosexuelle Männer ein Kind großziehen?
Ein Kind hat Mutter und Vater – immer. Und ein Kind hat ein Recht darauf zu wissen, wer Vater und wer Mutter ist. Und ich glaube, es ist gut, wenn ein Kind mit Vater und mit Mutter aufwächst. Natürlich gibt es andere Formen, natürlich gibt es Alleinerziehende, und es gibt schon heute die sukzessive Adoption. Und natürlich wachsen auch da Kinder gut auf. Nur: Das Idealbild bleibt das Großwerden mit Vater und Mutter.