Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kanadas Balanceakt auf der Weltbühne
Kanada schwelgt dieser Tage in seinen Nationalfarben weiß und rot: Am heutigen Samstag begeht das nordamerikanische Land den 150. Jahrestag der Staatsgründung. Das zweitgrößte Land der Erde will sich zum Jubiläum von seiner besten Seite zeigen – und sich nebenbei mit neuen Ambitionen auf der Weltbühne zurückmelden. Als das bessere und sympathischere Nordamerika, als Land mit einem eigenständigen, weltoffenen und liberalen Profil, ganz besonders auch in Zeiten, in denen beim südlichen Nachbarn in den USA Donald Trump genau das Gegenteil verkörpert.
Für Kanada ist es ein Balanceakt. Einerseits will und muss die liberale Regierung von Justin Trudeau ihre Unabhängigkeit von US-Präsident Trump beweisen. Andererseits hat sie kein Interesse daran, den mächtigen Nachbarn aus dem Süden zu sehr in die Isolation zu treiben. Zu eng sind die wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Bande der beiden nordamerikanischen Länder. Zu übermächtig scheint der Nachbar aus den USA.
Trudeau verfolgt eine andere Politik
Kein Zweifel besteht daran, dass die meisten Kanadier mit der derzeitigen US-Politik wenig anfangen können. Premier Trudeau steht in vielen Fragen den europäischen Verbündeten näher als den USA. Er befürwortet den Klimapakt von Paris, aus dem Trump austreten will.
Er wirbt für den Freihandel, dem Trump skeptisch gegenübersteht. Er vertritt eine liberale Zuwanderungspolitik, während die USA Bürgern aus muslimischen Ländern die Einreise verweigern und eine Mauer zu Mexiko bauen wollen. Angesichts der isolationistischen Politik Trumps setzt Kanada auf einen eigenständigen Kurs und will sich wieder stärker an internationalen Gremien wie der Nato, den Vereinten Nationen oder den G20 anlehnen. Die Regierung kündigte zudem eine massive Aufstockung der Verteidigungsausgaben um 70 Prozent in den kommenden zehn Jahren an. In Kanada vertritt man die Einschätzung, sich nicht mehr komplett auf den südlichen Nachbarn verlassen zu können.
Trotzdem wird Trudeau versuchen müssen, Brücken zu Trump zu erhalten. Kanada wickelt rund zwei Drittel seines Außenhandels mit den USA ab, teilt mit den Amerikanern die mit 9000 Kilometern Länge größte Landgrenze der Welt und ist auf ein funktionierendes Verhältnis zu Trump angewiesen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Freihandelsabkommens Nafta, das auf Druck aus den USA demnächst neu verhandelt werden soll.
Für Schlagzeilen sorgten daher Berichte, wonach Trudeau den USA auf dem G20-Gipfel in Hamburg angeblich mit einem verwässerten Bekenntnis beim Thema Klimaschutz entgegenkommen wolle. Tatsächlich setzt der Austritt der Amerikaner aus dem Paris-Vertrag die Kanadier mächtig unter Druck, da die kanadische Industrie Wettbewerbsnachteile gegenüber der US-Konkurrenz befürchten muss. In Ottawa dementiert man diese Gerüchte scharf.
Dazu verfolgt Kanada mit Blick auf die USA eine Strategie der Beschwichtigung. Wo immer es geht, versucht die Regierung in Ottawa Trump zu ignorieren und arbeitet statt dessen mit amerikanischen Bundesstaaten, Städten und Wirtschaftsvertretern zusammen.