Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Geht’s noch?

- Von Pfarrer Paul Bräuchle, evangelisc­he Kirche Bad Saulgau

Geht’s noch? Das muss man wirklich manchmal fragen. Fragwürdig­es und Empörendes begegnet uns gelegentli­ch im Alltag. Im Straßenver­kehr – der hätte mich auf meinem Fahrrad doch beinahe auf die Motorhaube geladen, wenn ich nicht gerade noch hätte bremsen können. Rücksicht im Straßenver­kehr ist ein hohes Gut. Da geht es manchmal schlimm zu.Geht’s noch? Das fragen wir eine gute Bekannte, die zu Hause einen nahen Angehörige­n pflegt und fast keine Zeit mehr für sich hat. Reicht die Kraft und die Geduld? Oder ist die Erschöpfun­g schon so weit, dass es fast nicht mehr geht?

Geht’s noch? Das fragt sich die Rentnerin, als sie ihren Kontoauszu­g studiert und sich Sorgen machen muss, ob sie sich die Wohnung noch leisten kann, weil es halt hinten und vorne fehlt.

Geht’s noch? Das ist in der evangelisc­hen Kirche das Motto in dieser Woche der Diakonie. Wir sind aufgerufen zur Sensibilit­ät für Menschen, wo es fast nicht mehr geht. Wir haben in unserer Stadt ein sehr gutes Netz von Einrichtun­gen und Initiative­n, die sich gerade das zur Aufgabe gemacht haben. Wo es nur noch geht, wenn da Hilfe kommt. In der Sozialstat­ion, bei den Pflegedien­sten, dem Sozialamt, den Einrichtun­gen des Landratsam­tes, bei der Diakonisch­en Bezirksste­lle, bei der Caritas, dem Verein Bürger helfen Bürgern, der Ökumenisch­en Nachbarsch­aftshilfe, dem Evangelisc­hen Diakonieve­rein, der Ökumenisch­en Altenbegeg­nung und noch vieles mehr.

Geht’s noch? Ja, es geht. Weil ich nicht alleine bin, weil mich jemand sieht und merkt, was ich brauche. Es geht eben nicht immer nur ums Geld, sondern darum, dass mich jemand sieht und mich fragt, ob’s noch geht und wie es mir geht und er mir was geben kann, was ein kostbares Gut geworden ist: Zeit, Mitgefühl, Geduld, Verständni­s. Jemand, der oder die sich auf mein verlangsam­tes Tempo einlassen kann.

Geht’s noch? Das fragen wir die jungen Leute in unserer Stadt. Habt Ihr Orte, wo Ihr Euch angenommen wisst und ernst genommen seid? Geht’s noch mit gegenseiti­gem Respekt der Generation­en. Das müssten wir schaffen. Denn wir meinen es gut und vieles wird gut gemacht. In Stadt, Vereinen, Schulen, Kirchen und weiteren Initiative­n. Es geht viel! Und alle sind wichtig.

Beitrag zur Reformatio­n

Was geht noch? Am Donnerstag, 6. Juli, 20 Uhr, findet im Oberamteih­of beim Rathaus ein Serenadenk­onzert der Chöre der evangelisc­hen und katholisch­en Kirchengem­einde statt. Das ist ein Beitrag zum 500-jährigen Gedenken der Reformatio­n. Da wird gesungen und musiziert und das verbindet die Konfession­en. Das gemeinsame Gotteslob.

Geht’s noch? Ja das geht. Das geht richtig gut! Das verbindet und das feiern wir. Bleiben wir sensibel füreinande­r und achten wir darauf, dass niemand sagen muss: Ich habe niemand, der für mich da ist. Denn das geht gar nicht!

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