Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Tennis im Fernsehen – immer noch ein spannendes Spektakel?
Soll noch einer sagen, die Emotionen fehlten im Tennis ... Die Russin Maria Scharapowa, bekannt für ihre Süßwarenkette, ihr Doping mit Meldonium und ihr Stöhnen auf dem Platz, das markerschütternder ist als alles, was Menschen je in einem Kreißsaal oder auf Rockkonzerten erlebt haben, traf kürzlich nach Ablauf ihrer Sperre auf die Kanadierin Eugenie Bouchard, die in Sachen Selbstvermarktung mindestens so clever ist wie die Russin und gerne mal freizügige Bilder postet. Außerdem hat die 23-Jährige eine klare Meinung: „Scharapowa ist eine Betrügerin, Dopingsünder gehörten lebenslang gesperrt.“Nach einer epischen Schlacht, in der beide Rivalinnen aufeinander einprügelten, als gäbe es kein Morgen, gewann schließlich Bouchard, und als sich die beiden am Netz begegneten, würdigte Scharapowa sie keines Blickes. Aber auch ohne Zickenzoff, den es übrigens auch bei Männern gibt, in Monatsabständen beim jungen Australier Nick Kyrgios, der zuweilen grundlos Gegner beleidigt, macht Tennisgucken Spaß. Man muss nur die nationale nostalgische Becker-GrafBrille abnehmen und genießen. Das fast surreale Ballgefühl und die malerische Rückhand eines Roger Federer, die Gnadenlosigkeit eines Rafael Nadal oder das extrem clevere, kurzweilige Stopp-Lob-Spiel von Laura Siegemund sind tausendmal attraktiver als ein zähes Mittelfeldgegurke im Fußball.
Tausendmal attraktiver als dieses zähe Fußball-Gegurke. Von Jürgen Schattmann