Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
CDU wirft SPD im Fall des Hamburger Messerstechers Nachlässigkeit vor
Gesetz zur Abschiebehaft trat erst einen Tag nach der Tat in Kraft – Sozialdemokraten betonen: „Nicht als Gefährder eingestuft“
BERLIN - Am Montagnachmittag die Wende: Die Bundesanwaltschaft übernimmt „wegen der besonderen Bedeutung des Falles“die Ermittlungen gegen den Attentäter von Hamburg. Der Palästinenser hatte am Freitag in einem Supermarkt der Hansestadt einen Mann erstochen und sieben Menschen zum Teil schwer verletzt.
Mann war wohl Einzeltäter
Laut Generalbundesanwalt liegt ein radikal-islamischer Hintergrund nahe. Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Täter Verbindungen zur Terrormiliz „Islamischer Staat“oder einer anderen Gruppierung hatte, gebe es bislang nicht, heißt es. Der 26-jährige ausreisepflichtige Flüchtling, der 2015 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten über Norwegen nach Deutschland gekommen war, soll sich selbst radikalisiert haben. Ein 26-Jähriger hat am Freitag in Hamburg einen Menschen mit einem Messer getötet und sieben weitere verletzt. Bei seiner Festnahme soll er selbst erklärt haben, er wolle als Terrorist behandelt werden. Zunächst waren die Sicherheitsbehörden davon ausgegangen, dass es sich nicht um Terror, sondern um die Tat eines psychisch Labilen gehandelt hat. Der 26-Jährige war bereits zuvor aufgefallen. Er wollte selbst ausreisen, was allerdings mangels Ausweispapieren noch nicht möglich war.
Der Fall hat daher eine neue Sicherheitsdebatte ausgelöst, Union und SPD streiten über Ursachen und Konsequenzen. Unionsinnenexperte Stephan Mayer (CSU) hatte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“die SPD indirekt mit dafür verantwortlich gemacht, dass der gefährliche Islamist nicht in Abschiebehaft gesessen hatte. Das erst am Samstag – einen Tag nach der Tat – in Kraft getretene Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ermöglicht eine Ausweitung der Abschiebehaft von Gefährdern und der Überwachung durch elektronische Fußfesseln.
CSU-Innenexperte Mayer warf der SPD vor, das Gesetz ein Jahr lang blockiert zu haben. „Die SPD hat dies lange verhindert“, kritisierte er. Wäre die neue Regelung früher in Kraft getreten, hätte man die Möglichkeit gehabt, den Hamburger Attentäter bis zu seiner Abschiebung in Haft zu nehmen, so Mayer.
Allerdings hatten die Sicherheitsbehörden den Islamisten zwar beobachtet, aber offenbar nicht als Gefährder eingestuft. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) wies daher die Vorwürfe der Union zurück: Da es offenbar keine Anzeichen dafür gegeben habe, dass der Mann ein radikaler Gefährder gewesen sei, habe man ihn auch nicht in Abschiebehaft nehmen können. Jetzt gelte es aufzuklären, ob man den Mann bis zu seiner Abschiebung hätte inhaftieren können, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach nimmt SPD und Sicherheitsbehörden vorerst in Schutz. „Da bin ich vorsichtig. Erst prüfen, dann bewerten und falls notwendig Konsequenzen ziehen“, sagte er. In den letzten Jahren seien die rechtlichen Möglichkeiten für eine zügige Durchsetzung der Ausreisepflicht, insbesondere für Straftäter und Gefährder, erheblich ausgeweitet worden. Diese müssten jetzt konsequent angewandt werden, fordert Bosbach. Es werde zunehmend schwieriger, die hohe Zahl von islamistischen Gefährdern zu überwachen.