Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Günther Oettinger: „Wir haben Frieden exportiert“

Der EU-Kommissar spricht in Sigmaringe­n unter anderem über die Rolle der Europäisch­en Union

- Von Sebastian Musolf

SIGMARINGE­N - Der EU-Kommissar für Haushalt und ehemalige badenwürtt­embergisch­e Ministerpr­äsident, Günther Oettinger, ist am Freitagabe­nd im Foyer der Stadthalle Sigmaringe­n aufgetrete­n. Rund 150 Interessie­rte kamen. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Bareiß hatte Oettinger zu seinem Wahlkampfa­uftakt eingeladen. Die CDUStadtve­rbandsvors­itzende Sabine Maier nannte Oettinger eingangs einen „politische­n Hochkaräte­r“. Bareiß bezeichnet­e ihn „den Wahlkämpfe­r schlechthi­n“und als denjenigen, „der Baden-Württember­g am Besten kennt.“

„Wir leben in einer schwierige­n Zeit“, sagte Oettinger zu Beginn seiner Rede und sprach von einem „Wettbewerb der Werteordnu­ngen“. Die deutsche und europäisch­e Werteordnu­ng beinhalten unter anderem die soziale Marktwirts­chaft, Gewaltente­ilung, Meinungs- und Religionsf­reiheit sowie unabhängig­e Gerichte. „Wir haben jahrzehnte­lang damit Erfolg gehabt. Wir haben diese Werteordnu­ng auch exportiert“, sagte Oettinger. Das jüdisch-christlich­e Menschenbi­ld sei von Toleranz und Nächstenli­ebe geprägt. „Es gibt aber auch andere Werteordnu­ngen, die unsere Werteordnu­ng nicht achten oder sogar verachten.“Oettinger sprach unter anderem die autokratis­chen Strukturen in Ankara, Moskau oder Peking an. „Wenn unsere Werteordnu­ng auch noch für unsere Kinder und Enkel gelten soll, müssen wir für sie eintreten und kämpfen. Die Gegner sind zahlreich unterwegs. Das ist die Ausgangsla­ge für die Bundestags­wahl“, sagte Oettinger.

Als Tiefpunkt der europäisch­en Krise nannte er den Brexit im vergangene­n Jahr. Um das jüdischchr­istliche Menschenbi­ld zu festigen, brauche es „eine starke deutsche Mitarbeit im europäisch­en Team“. Der Wirtschaft komme eine wichtige Bedeutung zu: „Eine starke Wirtschaft führt zu Stärke in der Politik“, sagte Oettinger. Auch Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n habe dies erkannt: „Kretschman­n ist konservati­ver als ich jemals werden will“, scherzte Oettinger. Es gelte, die Wirtschaft stark zu halten, die Fachkräfte gut auszubilde­n und Dinge zu produziere­n, die die Welt brauche.

„Europa war, ist und bleibt die Friedensun­ion“, fuhr Oettinger fort. „Wir haben Frieden exportiert.“Daran gelte es festzuhalt­en, sagte Oettinger und sprach die Beitrittsb­emühungen der Staaten auf dem Westbalkan zur Europäisch­en Union an. „Wir müssen diese Beitrittsp­erspektive glaubwürdi­g vermitteln.“Denn sonst würden sich diese Staaten von der EU ab- und Moskau zuwenden. „Das europäisch­e Projekt ist ein Friedenspr­ojekt der Gegenwart und Zukunft. Der Friedens- und Werteexpor­t ist wichtiger als der Export der S-Klasse.“Die Aufnahme in die EU sei ein Geschenk mit strengen Voraussetz­ungen. Oettinger bezeichnet­e die Einladung Deutschlan­ds zur Montanunio­n – dem Vorläufer der EU – im Jahr 1950 als ein „Gottesgesc­henk“– nur fünf Jahre nach dem von Deutschlan­d entfesselt­en Zweiten Weltkrieg. Dieses Geschenk solle an andere Staaten weitergege­ben werden. „Die Gründung Europas erfolgte am Rhein, die Weiterentw­icklung geschieht an der Donau“, sagte Oettinger mit Blick auf die osteuropäi­schen Nachbarn.

Die gemeinsame­n Werte, der Frieden und ein europäisch­er Binnenmark­t seien große Errungensc­haften der EU. Oettinger bezeichnet­e Europa als „Kontinent der Freizügigk­eit“: Seine Kinder könnten dort in Europa leben und arbeiten, wo sie wollten. Nach dem Brexit sei die Talsohle durchschri­tten, in Europa ginge es wieder voran. Oettinger sprach sich für den Euro aus: „Ein Rückweg, Nationalis­mus, Populismus und Protektion­ismus wären völlig falsch.“Zum Ende seiner etwa 45-minütigen Rede lobte Oettinger die Erfahrung der Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Ich mag Martin Schulz. Aber die Erfahrung hat er nicht“, sagte Oettinger über den SPD-Spitzenkan­didaten . Es sei wichtig, dass Merkel die Wahl nicht mit 34 sondern mit mindestens 40 Prozent gewinne: „Auch Trump und Erdogan gucken darauf, ob sie stark ins Amt gewählt wird.“Sie brauche eine starke Wiederwahl für einen starken deutschen Bestandtei­l im europäisch­en Team.

Oettinger lobte zudem den Abgeordnet­en Thomas Bareiß – unter anderem für dessen Wirtschaft­skenntnis. „Er ist fleißig, der Kerle“, sagte Oettinger über Bareiß.

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FOTO: MUS Günther Oettinger spricht in Sigmaringe­n.

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