Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mit dem Spiegel bis in die Wipfel schauen
Kinder aus Scheer erkunden den Wald – Neues Angebot im Kreis: die Waldbox
SCHEER - Zielstrebig geht Carla auf einen Baum zu und bleibt vor seinem Stamm stehen. Sie breitet die Arme aus, umarmt den Stamm und streicht vorsichtig über die raue, rissige Rinde. Dann holt sie einen Spiegel in einem Holzrahmen hervor und hält ihn sich waagerecht vors Gesicht. Tatsächlich, ihre Augen hinter den Brillengläsern leuchten, so kann sie ganz bequem bis in die weit entfernten Wipfel schauen. Ganz ohne sich den Hals zu verrenken.
Diesen Tipp haben Carla und die 15 anderen Kinder aus Scheer und Heudorf von Nina Hainzl bekommen. Die Försterin und Waldpädagogin hat sich mit ihnen am Wanderparkplatz im Wald getroffen und geht mit ihnen einen Nachmittag lang auf Waldexpedition. Dabei kommt Material aus der neuen Waldbox des Fachbereichs Forst im Landratsamt Sigmaringen zum Einsatz. „Forst BW hat alle Kreise im Land mit diesen Boxen ausgestattet, um außerschulischen Unterricht mit dem Schwerpunkt Wald zu fördern und Waldpädagogen und Förstern die notwendigen Materialien dafür an die Hand zu geben“, sagt Regina Kille vom Fachbereich Forst.
Angebot bis zur Oberstufe
Bei Bedarf finden sie und ihre Kollegen in dem Waldbox genannten Autoanhänger die Informationen und die Ausstattung für rund 100 Aktivitäten im und rund um den Wald. Sie sind nach verschiedenen Gebieten unterteilt (etwa Wald und Boden, Klima, Kunst, Wissenschaft, Vielfalt oder Küche) und auf den Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg abgestimmt. „So können wir Gruppen und Klassen vom Kindergarten bis zur Oberstufe ein passendes Angebot machen“, sagt Kille.
Unter der Anleitung von Nina Hainzl bauen sich die Kinder in Scheer erst einmal ein Waldsofa aus zusammengetragenen Stöcken und einer Menge Moos. „Wenn wir uns nicht an der Waldschule Wunderfitz am Grünen Zentrum in Laiz treffen, wo ich den Wald sehr gut kenne, muss ich vorher die Gegend auskundschaften, in der wir etwas anbieten möchten“, sagt Hainzl, die seit 15 Jahren als Waldpädagogin arbeitet. „Sonst wollen wir ein Waldsofa bauen, es ist aber gar kein passendes Material zur Hand.“Sie selbst kennt schon viele Unterrichtseinheiten und Konzepte aus der Waldbox. „Für mich ist interessanter, dass wir eine komplette Ausrüstung im Anhänger haben“, sagt sie. Regenplane, Seile, Ferngläser, Lupen und auch ein Satz Spiegel sind immer in Reichweite.
Nachdem jedes Kind seinen frisch ausgewählten Lieblingsbaum inspiziert hatte – dabei spielte weniger eine Rolle, ob es nun eine Fichte oder eine Tanne war, die ausgewählt worden war, sondern ob die Kinder Besonderheiten wahrgenommen hatten – ging es mit der Waldpädagogin auf eine richtige Pirsch. Ohne auf verräterisch knackende Äste zu treten schlichen die Kinder wie Indianer oder Jäger durch das Unterholz und hielten nach Tieren Ausschau. Die hatte Hainzl zuvor schon als Pappaufsteller im Wald verteilt, sodass die Kinder Hase, Reh, Dachs, Eichelhäher oder Fuchs erspähen konnten. Und weil Abenteuer an der frischen Luft ganz schön hungrig machen, war es gut, dass alle in ihrem Rucksack ein Pausenvesper dabei hatten.
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