Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schmiergeld, Luxusprostituierte, Betrugssoftware
Vor allem Manager der Finanzbranche und der Autoindustrie haben mit ihren kriminellen Machenschaften die Wirtschaft in Verruf gebracht
Bestechung, Betrug, Zinsmanipulation, illegale Absprachen, Steuertäuschung – die Wirtschaft war in den vergangenen Jahrzehnten kreativ, wenn es um kriminelle Gewinnmaximierung ging. Eine Chronologie:
Bestechungsskandal bei Volkswagen (2005): Mit Reisen im Firmenjet nach Südamerika, finanziellen Zuwendungen und Luxusprostituierten bestach der Vorstand von Volkswagen den eigenen Betriebsrat und beeinflusste die Entscheidungen der Arbeitnehmervertreter. Als die Korruption aufflog, mussten Personalvorstand Peter Hartz, Betriebsratschef Klaus Volkert und der Personalvorstand der VW-Tochter Skoda, Helmuth Schuster, gehen.
Schmiergeldaffäre bei Siemens (2006): Einige Jahre machte der Industriekonzern Siemens gute Geschäfte nach dem Modell Auftrag gegen Schmiergeld – die Ermittlungen ergaben, dass Siemens ein ausgeklügeltes System von schwarzen Kassen entwickelt hatte. Als die Korruption aufflog, musste der Konzern eine Milliarde Dollar Strafe zahlen – und Vorstandschef Klaus Kleinfeld und Aufsichtsratsvorsitzender Heinrich von Pierer waren ihre Jobs los.
Ergo-Orgie (2007): Im Jahr 2007 hatte die Versicherung Ergo die besten Vertriebsmitarbeiter sowie hohe Manager des Unternehmens zu einer Sex-Party nach Budapest eingeladen. Die Kosten der Lustreise setzte Ergo von der Steuer ab. Der Skandal löste bundesweit eine Welle der Empörung aus. Im Zuge der Ermittlungen wurde bekannt, dass Ergo das Prinzip „Sex auf Kosten der Versicherten als Belohnung“bereits seit den 1970er-Jahren praktizierte.
Hypotheken-Betrug (2010): Der Hypotheken-Skandal hat seinen Ursprung auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt. Dort hatten Banken über Jahre Hypotheken an mittellose Familien ausgegeben, deren Risiken sie anschließend an Investoren auf der ganzen Welt weiterverkauften – in Form von hochkomplexen Anleihen und mit dem Gütesiegel von Ratingagenturen. Als der Markt 2007 kollabierte, erwiesen sich diese Papiere größtenteils als wertlos. Viele Käufer fühlten sich über den Tisch gezogen und klagten gegen die Banken. Zuletzt akzeptierte die Deutsche Bank eine Strafe von 7,2 Milliarden Euro.
Lastwagen-Kartell (2011): Rund 14 Jahre lang haben sich die Lastwagenbauer Daimler, Volvo, Iveco, MAN und DAF abgesprochen, um so überhöhte Preise im Markt durchzudrücken. Die EU-Kommission verhängte ein Rekordbußgeld von mehr als drei Milliarden Euro. Allein Daimler zahlte eine Milliarde Euro. Das Unternehmen MAN ging straffrei aus, weil es sich selbst angezeigt hatte – und die Ermittlungen so ins Rollen gebracht hatte. Viele Speditionen bereiten zurzeit Schadensersatzklagen gegen die Konzerne vor.
Libor-Manipulation (2011): Der Referenzzins Libor (London Interbank Offered Rate) ist einer der wichtigsten Zinssätze in der Finanzwelt. Auf seiner Basis werden Geschäfte im Volumen von Hunderten Milliarden Euro berechnet. 2011 wurde bekannt, dass zahlreiche Banken den Libor jahrelang manipuliert hatten. Milliardenschwere Strafen folgten. Den finanziellen Schaden, der durch die Libor-Manipulationen erwachsen sein könnte, schätzten Analysten auf mehr als 17 Milliarden US-Dollar.
Cum-Ex-Geschäfte (2013): Rund um den Dividendenstichtag haben Investoren jahrelang Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie überhaupt gehörten. Die Folge der Karussellgeschäfte: Bescheinigungen über Kapitalertragsteuer wurden mehrfach ausgestellt. Schätzungen über den Gesamtschaden für den Fiskus reichen von zehn Milliarden bis zu 32 Milliarden Euro. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Die Ermittlungen dauern an.
Diesel-Skandal (2015): Durch eine „Notice of Violation“der US-amerikanischen Umweltbehörde Epa kam einer der größten Betrugsskandale der deutschen Industrie ans Licht: Mehrere Autohersteller hatten illegale Softwareschaltungen in die Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge eingebaut, um gesetzlich vorgegebene Grenzwerte für Abgase zu umgehen. Der zuerst bei VW aufgeflogende Betrug entwickelte sich zu einer weitreichenden Krise in der Autoindustrie, weil immer neue Abweichungen zwischen Emissionen im Realbetrieb und auf dem Prüfstand bei deutschen und internationalen Herstellern festgestellt wurden.
Stahl-Kartell (2016): Wegen des Verdachts auf Absprachen beim Stahleinkauf durchsuchte das Bundeskartellamt Büros der Autobauer Volkswagen, Daimler und BMW sowie der Zulieferer Bosch und ZF. Die „Schwäbische Zeitung“hatte die Ermittlungen 2016 aufgedeckt. Ein Sprecher des Bundeskartellamts sprach damals von einem Anfangsverdacht für einen Kartellrechtsverstoß. Die Ermittlungen dauern an.
Auto-Kartell (2017): Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“deckte vor wenigen Wochen den bislang jüngsten Skandal auf: Jahrzehntelang sollen sich VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW in 60 Arbeitskreisen über die Autoentwicklung, Kosten von Einzelteilen und Lieferantenkonditionen abgesprochen und so ein illegales Kartell gebildet haben. Die EU bestätigte, dass sie dem Verdacht solcher Absprachen nachgeht.