Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Auf der Suche nach Nahrung und Wasser
Dirk Krausse informiert über aktuelle Heuneburg-Forschung – Kornspeicher bei Ensmad
HUNDERSINGEN - Wie haben die Kelten in der Eisenzeit auf der Heuneburg gelebt? Wie versorgten sich die Menschen, die in der Höhensiedlung oberhalb der Donau lebten, mit Nahrungsmitteln? Und in welchem Verhältnis stehen die Heuneburg bei Hundersingen, die Alte Burg bei Langenenslingen und die Große Heuneburg bei Upflamör bei Zwiefalten zueinander? Archäologische Untersuchungen sollen in einem Langzeitprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Licht ins Dunkel bringen. Landesarchäologe Dirk Krausse hat am Freitag im Heuneburg-Freilichtmuseum über den aktuellen Stand der Forschungen informiert.
„Die Alte Burg ist eine ganz außergewöhnliche Fundstätte“, sagt er. Das Hochplateau ist ein Ausläufer der Schwäbischen Alb und ist von Menschen in frühkeltischer Zeit künstlich überformt worden. „Das ist zum Beispiel an den geraden Kanten zu sehen“, erläutert er. An dem zungenförmigen Berg seien an beiden Seiten Terrassen angelegt und die Böschung versteilt worden. Unterhalb befinden sich Graben- und Wallanlagen. Völlig überraschend fanden die Archäologen vor zwei Jahren auf der Alte Burg gigantische Mauern.
„Was die Alte Burg ist, ist ein großes Rätsel“, sagt er. „Die Überlegungen gehen in Richtung Versammlungsoder Kultplatz.“Dafür spricht auch ein fünf Meter tiefer Schacht auf dem Plateau. Dieser sei 1894 erstmals gefunden worden. Damals habe der Forscher notiert, sechs Skelette gefunden zu haben. Bei Nachuntersuchungen im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts seien 70 menschliche Knochen gezählt worden. „Sie sind wahrscheinlich geopfert worden“, sagt Krausse.
Dieses Jahr untersuchen die Archäologen die Wallanlage unterhalb des Plateaus. „Wir wollten herausfinden, wie der Wall gebaut ist“, sagt er. Das Ergebnis: Der Wall wurde in einer einzigen Bauphase aufgeschüttet – und zwar aus dem Material, das die Menschen damals abtrugen, um den Graben um die Anlage zu ziehen und die Böschung steiler zu machen.
Monumentale Gräben und Wälle
Nur fünf Kilometer weiter, dafür aber schon im Landkreis Reutlingen, befindet sich die Große Heuneburg. Diese Anlage ist mit fünf Hektar deutlich größer. Der Grundriss der Befestigung ist viereckig und leicht trapezförmig. Darüber hinaus verfügt sie über einen quadratischen Anbau. Sie wird, wie auch die Heuneburg und die Alte Burg, auf das siebte und das sechste Jahrhundert vor Christus datiert. Seit 100 Jahren sei dort nicht mehr gegraben worden, berichtet Krausse. „Wir haben monumentale Gräben und Wälle auf dem Gelände gefunden“, sagt er. Das ganze Areal sei mit Gräben überzogen. „Da oben hat jemand gelebt, obwohl die Wasserversorgung schwierig war“, erläutert er.
Während zwischen der Alte Burg und der Heuneburg Sichtkontakt besteht, ist die Große Heuneburg von dort aus nicht sichtbar. Dafür liegt sie einige Meter zu tief. „Aber aus einer Höhe von zwei bis drei Metern wäre es von der Alte Burg aus möglich“, sagt er. „Vielleicht hat man die große Mauer dort deshalb gebaut.“
Eine der Fragestellungen im Langzeitprojekt ist, wie sich die Menschen in diesem Raum mit Nahrungsmitteln versorgt haben. Um das herauszufinden, sind die Archäologen auf der Suche nach Bauernhöfen, Dörfern und Gutshöfen. Bei einer ländlichen Siedlung bei Ensmad, das sich bei Langenenslingen-Ittenhausen befindet, fanden sie einen Hinweis darauf. Die Siedlung verfügt über Quellen und Wasser, außerdem gibt es dort eine Wallfahrtskapelle. „Der Ort liegt also siedlungs- und verkehrsgünstig“, sagt Krausse. Dort fanden die Archäologen die Reste von Gruben, in denen die Menschen Vorräte aufbewahrten. „In solchen Vorratsgruben ergibt sich eine toxische Atmosphäre, in denen Getreide haltbar bleibt“, erläutert er. Die Gruben, die heute nur noch als kreisrunde dunkle Flecken im Boden zu sehen sind, seien ziemlich groß gewesen – ein möglicher Hinweis dafür, dass von dort aus viele Menschen mit Nahrung versorgt wurden.
Außensiedlungen weiter im Fokus
Der Unlinger Reiter, eine acht Zentimeter große Bronzestatuette, ist die Hauptfigur der aktuellen Sonderausstellung in den beiden Heuneburgmuseen in Hundersingen. Sie wurde bei Rettungsgrabungen beim Bau der Ortsumgehung von Unlingen entdeckt. Die Figur, die einen Reiter auf einem Pferd mit zwei Köpfen darstellt, stammt wahrscheinlich von einem einheimischen Künstler, sagt Krausse. Das Pferd, das von vorne betrachtet so aussieht, als würde es traben, sei für die Zeit eine „durchaus gute Arbeit“. Wissenschaftlich interessant sei das Gräberfeld am Fuß des Bussens vor allem auch deshalb, weil es teilweise älter und gleich alt wie die Heuneburg ist.
Im kommenden Jahr sollen im Rahmen des DFG-Projekts weiter offene Siedlungen bei Ensmad untersucht werden, genauso die Alte Burg. Außerdem stellten die Forscher bei geophysikalischen Untersuchungen bei Binzwangen eine Straße fest, vielleicht eine Prozessionsstraße. Nun soll untersucht werden, wohin die Straße führt. Außerdem wird weiter an der Große Heuneburg gegraben, bevor sich die Forscher voll den Außensiedlungen widmen. „Später wollen wir nochmal zum Bettelbühl und einen zweiten Grabhügel untersuchen“, sagt Krausse.