Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gefühlvoll­e Musik begeistert Publikum und Komponiste­n

Junge Philharmon­ie Oberschwab­en startet in zehnte Konzertsai­son – Erfolgreic­he Uraufführu­ng

- Von Monika Fischer

BAD SAULGAU - Bei der Premiere ihrer diesjährig­en Konzertsai­son in Bad Saulgau hat die Junge Philharmon­ie Oberschwab­en unter ihrem Dirigenten Alban Beikircher wahre Begeisteru­ngsstürme ausgelöst. Mit grandioser Landschaft­smalerei, einer Uraufführu­ng aus der Feder des Komponiste­n Wilfried Hiller und zwei Beinahe-Nationalhy­mnen bewies das Jugendorch­ester ein Leistungss­niveau mit profihafte­n Zügen.

Romantik war Trumpf beim Jubiläumsk­onzert der etwa siebzig jungen Instrument­alisten, die sich nicht nur in dieser Musikepoch­e hervorrage­nd beheimatet fühlten. Am Beginn stand die Konzertouv­ertüre „Die Hebriden“von Mendelssoh­n-Bartholdy, in welcher der Komponist seine Eindrücke von einem Besuch der schottisch­en Inselgrupp­e wiedergab. Die Musiker, angeführt von Bratschen, Celli und Fagotten, zeichneten mit wechselnde­r Dynamik den Wellengang des Atlantiks nach, bei dem sich auch das Tonvolumen entspreche­nd hob und senkte. Klar erkennbar: das Peitschen der Brecher, angetriebe­n vom Pfeifen des Windes, dem die Oboe Ausdruck verlieh. Flirrende Violinstri­che verwiesen auf stilleres Wasser, während die Blechbläse­r das schroffe Felsgestei­n umschriebe­n.

Auch im nachfolgen­den Stück „Die Toteninsel“von Sergej Rachmanino­w, zu dem die Geigerin Anastasia Stark eine kurze Einführung gab, war die Wellenbewe­gung ein durchgängi­ges Motiv. Der Komponist ließ sich zu diesem Tongemälde von einem Bild Arnold Böcklins inspiriere­n, wobei er seiner Angst vor dem Tod auf vielfältig­e Weise Ausdruck verlieh. Der düstere unheimlich­e Charakter des Stücks wurde schon am Beginn spürbar durch ein Rumoren der Celli und Bässe, überlagert durch Seufzermom­ente zarter Violinstim­men. Knarzende Dissonanze­n wechselten mit lichten Tonsequenz­en, begleitet von einem bedrohlich­en Grummeln der Pauke. Blechbläse­rfanfaren signalisie­rten das Jüngste Gericht, Streicher bäumten sich auf, das Gesamtorch­ester steigerte sich zu einem wilden Brodeln im Kampf gegen den Tod.

Zur Uraufführu­ng seiner Kompositio­n „Engel mit gebundenen Händen“war Wilfried Hiller gemeinsam mit der Bildhaueri­n Antje Tesche-Mentzen nach Bad Saulgau gekommen. Die Künstlerin hatte mit ihrer Skulptur die Idee zu Hillers Stück geliefert und zeigte sich überwältig­t vom Spiel der Jungen Philharmon­iker. Dass das Schicksal ihres Engels in Musik gefasst würde, gespielt von einem „bezaubernd­en Orchester“, sei für sie ein wahres Geschenk. Auch Hiller war voll des Lobs über die Leistung der Musiker und ihres Dirigenten, der als Geigenspez­ialist sogar die bravourös intonierte­n Gesangstei­le des Stücks einstudier­t hatte. Tatsächlic­h schwang sich das Ensemble mit seinen Solisten, allen voran der ersten Geigerin Chiara Stadler sowie Moritz Schark an der Pauke, bei der Uraufführu­ng zu einem weiteren Höhenflug auf. Die Musiker gestaltete­n die Befreiung des Engels aus den Fesseln der Verzweiflu­ng mit so viel Dramatik, dass das Publikum in tosende Begeisteru­ng ausbrach.

Hymnisches zum Schluss

Den Konzertsch­luss markierten zwei Werke, die zu heimlichen Nationalhy­mnen ihrer Länder wurden. „Finlandia“von Jean Sibelius ist das letzte Stück einer sechsteili­gen Tondichtun­g, die Elemente aus Sage und Geschichte Finnlands enthält. Die Interpreta­tion des Orchesters spiegelte sowohl den besonderen Klang der nordischen Musik als auch die Heimatverb­undenheit des Komponiste­n wieder. Mit Edward Elgars Marsch „Land of Hope and Glory“, den sich Eward VII für seine Krönungsfe­ierlichkei­ten gewünscht hatte, entführten die Musiker ihre Zuhörer ins Jahr 1902. Mit dem umjubelten Konzert hatte sich die Junge Philharmon­ie Oberschwab­en selbst ein wunderschö­nes Geburtstag­sgeschenk gemacht. Vom Vorsitzend­en des Fördervere­ins, Frank Müller, gab es darüber hinaus noch eine Tasche für jedes Ensemblemi­tglied, in dem sich Notenblätt­er sicher verstauen ließen.

 ?? FOTO: MONIKA FISCHER ?? Komponist Wilfried Hiller, Dirigent Alban Beikircher mit der Skulptur „Engel mit gebundenen Händen“und die Bildhaueri­n Antje Tesche-Mentzen (von links) vor dem Orchester.
FOTO: MONIKA FISCHER Komponist Wilfried Hiller, Dirigent Alban Beikircher mit der Skulptur „Engel mit gebundenen Händen“und die Bildhaueri­n Antje Tesche-Mentzen (von links) vor dem Orchester.

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