Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Präsidiales Ausrufezeichen
Frank-Walter Steinmeier war bis gestern in der Wahrnehmung vieler noch nicht so recht angekommen in seinem gar nicht mehr so neuen Amt. Mit umso größerer Spannung war deshalb seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit erwartet worden. Und der Bundespräsident hat eine sehr gute Rede gehalten, eine, die das Potenzial hat, in einigen Jahren in der Retrospektive mit dem Prädikat „wegweisend“versehen zu werden. Steinmeier hat als Bundespräsident jedenfalls ein Ausrufezeichen gesetzt und womöglich das Thema seiner Amtszeit gefunden.
So kurz nach der zum politischen Erdbeben geratenen Bundestagswahl kam der Bundespräsident nicht an den Themen Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik vorbei. Dabei hat er der Versuchung widerstanden, zum Feiertag eine Fensterrede zu halten. Im Gegenteil: Steinmeier hat es geschafft, einem „Weiter so“eine klare Absage zu erteilen, ohne dabei auch nur im Ansatz die Abschottungstendenzen von ganz rechts aufzuwerten. Der erste Mann im Staate hat richtigerweise klargemacht, dass Deutschland auch in herausfordernden Zeiten seiner Verantwortung gegenüber politisch Verfolgten ohne Wenn und Aber und mit allen Konsequenzen gerecht werden muss. Und er hat darüber hinaus ebenso richtigerweise gefordert, dass „weitere legale Wege nach Deutschland“definiert werden müssen. Im Klartext ist das nichts anderes als die Forderung nach einem modernen Zuwanderungsgesetz, das nun – wenn es dann früher oder später kommt – eng mit dem Namen Steinmeier verbunden sein wird.
Auch wenn manche gern die Augen davor verschließen würden: Migration findet statt und muss geregelt werden: verantwortlich, ehrlich, rational. Der Bundespräsident hat mit seiner Rede einen wichtigen Impuls gesetzt und die operative Politik ermutigt, sich dieser Herausforderung in den kommenden Jahren zu stellen. Sie hat es nun in der Hand dafür zu sorgen, dass Frank-Walter Steinmeiers Rede vom 3. Oktober rückblickend tatsächlich als wegweisend angesehen wird.