Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Einzigartige Karte zeigt Ostrach
Der Vermesser und Gastwirt Johann Jakob Heber hat sie 1705 erstellt.
OSTRACH - Das Heimatmuseum der Gemeinde Ostrach beherbergt eine echte Rarität: Das Abbild einer Landkarte aus dem Jahr 1705. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine gewöhnliche Karte, die in eine Tasche passen würde. Denn dafür ist sie mit ihren Maßen von rund vier mal fünf Metern, also etwa 20 Quadratmetern, viel zu groß.
Im Heimatmuseum im Amtshaus ist eine Fotografie davon zu sehen. Die Fotografie wurde auf Laminat gedruckt und auf dem Boden befestigt. Die Besucher können auch auf der Karte im Maßstab 1:2600 herumlaufen, um die Details zu betrachten. „Es handelt sich um eine parzellengetreue Zeichnung der zum Oberamt Ostrach gehörigen Orte des Klosters Salem samt Gemarkungen“, schreibt die Archivarin Annegret WenzHaubfleisch, die die Karte näher untersucht hat. Die Karte ist nicht, wie es heute üblich ist, genordet, sondern gewestet. Dazu gehört außerdem ein Verzeichnis, das Aufschluss über die damaligen Besitzverhältnisse gibt.
„Es ist eine Inselkarte“, sagt Gerhard Fetscher vom Heimatmuseum. „Das heißt, dass nur das detailliert dargestellt ist, was damals zu Salem gehört hat.“Nur angedeutet sind hingegen etwa die heutigen Teilorte Burgweiler und Kalkreute. Während Burgweiler 1705 nicht mehr zu Salem gehört habe, habe Kalkreute zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Salem gehört, sagt Fetscher.
Vermesser war auch Gastwirt
Den Auftrag, das Oberamt Ostrach zu vermessen und grafisch detailliert darzustellen, hat der Salemer Abt Stephan I. Jung gegeben. Er ist in der Ecke oben links mit seinem Wappen verewigt. Unten rechts wird als Geometer Johann Jakob Heber genannt. Wie Annegret Wenz-Haubfleisch herausfand, stammte er aus Basel und wanderte später nach Lindau aus, wo er 1706 die Bürgerrechte erwarb. Er sei als Ingenieur, Geometer und Straußenwirt im Kirchenbuch erwähnt worden, schreibt sie. Es ist also anzunehmen, dass er nicht nur als Vermesser, sondern auch als Gastwirt arbeitete.
Im Jahr 2006 war das Original sechs Wochen lang als Leihgabe des Staatsarchivs Sigmaringen im Heimatmuseum in Ostrach zu sehen. Wie Volker Trugenberger, der Leiter des Staatsarchivs Sigmaringen, berichtet, ist schon allein das Ausbreiten der Karte nicht einfach. „Man braucht viel Platz dafür“, sagt er. Unter hohem Aufwand sei sie damals aus dem Magazin geholt, im schwarzen Zimmer des Staatsarchivs ausgebreitet und später nach Ostrach gebracht worden. „Um sie ins Heimatmuseum zu bringen, war eine Hebebühne notwendig“, sagt er.
Doch bevor sie dort für die Ausstellung drapiert wurde, wurde sie in der Buchbühlhalle aufgehängt und von einem Fotografen abgelichtet. „Dafür hat der Bauhof zwei Tage lang die Buchbühlhalle abgeklebt, um sie lichtdicht zu machen“, erinnert sich Gerhard Fetscher. Einen Tag sei der Fotograf dann beschäftigt gewesen, Aufnahmen zu machen. Weil er die Karte nicht nur als Ganzes, sondern auch im Detail fotografierte, kann man heute die komplette Karte in digitaler Form ansehen.
„Wenn man sich intensiv mit den Details beschäftigt, ist das wie eine Entdeckungsreise“, sagt Annegret Wenz-Haubfleisch, die inzwischen im Staatsarchiv Marburg arbeitet, sich aber noch gut an die OstrachKarte erinnert. „Gerade durch ihre Größe ist die Karte herausragend“, sagt sie. Sie bilde die Region in einem Zustand ab, den wir heute so nicht mehr kennen. Flussläufe, Grenzsteine, Häuser oder die Struktur von Feldern: Vieles habe sich seit 1705 geändert. „Die Karte zeigt, wie sich die Kulturlandschaft damals zusammengesetzt hat, das ist eine ganz fantastische Quelle“, sagt sie. Sie ist fasziniert davon, welche Mühe sich die Menschen mit der Vermessung machten. „Dafür wurde ein immenser Aufwand betrieben“, sagt sie.
Die Ostrach schlängelte sich
Auffällig ist zum Beispiel das Flussbett der Ostrach, das damals noch nicht begradigt war. Sie schlängelt sich zentral von unten nach oben über die Karte. „Die Ostrach hatte auf Höhe des heutigen Zunftheims eine Furt“, berichtet Gerhard Fetscher. Der Fluss wurde an dieser Stelle verbreitert, sodass das Vieh ihn dort durchqueren konnte. Auch eine Brücke ist dort bereits eingezeichnet. Außerdem sind vier Weiher eingezeichnet, von denen es heute nur noch zwei gibt: den Lausheimer Weiher und den Weiher in Bachhaupten. Im Gegensatz dazu sind von den Weihern in Ostrach und in Bernweiler inzwischen nur noch die Konturen erkennbar. Sie haben heute kein Wasser mehr.
Das Original liegt seit der Ausstellung 2006 in Ostrach im Staatsarchiv Sigmaringen. Weil es so groß ist, wurde es eingerollt, obwohl alte Karten besser liegend aufbewahrt werden. Sie wurde in einem speziellen, säurefreien Karton verpackt, der extra angefertigt wurde. Nun liegt sie wieder im Archiv – und wird so schnell wohl nicht mehr hervorgeholt. „Aus konservatorischen Gründen kann man sie nicht lange zeigen“, sagt Volker Trugenberger. Außerdem wäre jede Bewegung schlecht für die Karte.