Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ex-Friseurin geht unter die Betonbauer

Bei den Deutschen Meistersch­aften wird deutlich, dass Bauberufe beliebter werden

- Von Michael Hescheler www.schwaebisc­he.de/ baugewerbe-dm-sig

„Die Vergütunge­n zählen zu den höchsten in Deutschlan­d“, sagt Heribert Jöris, einer der Geschäftsf­ührer des Zentralver­bandes des Baugewerbe­s.

SIGMARINGE­N - 63 Nachwuchsh­andwerker und auch zwei Handwerker­innen haben in den vergangene­n Tagen in Sigmaringe­n die Deutschen Meistersch­aften der Bauberufe ausgetrage­n. Die 24-jährige Jolene van Son hat es nicht aufs Treppchen geschafft, aber die Betonbauer­in aus Hessen ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Bauberufe zuletzt in der Gunst der Jugendlich­en wieder gestiegen sind. Jolene van Son war Friseurin und sattelte um. In BadenWürtt­emberg lassen sich 5700 Lehrlinge im Baugewerbe ausbilden, die Verbände beziffern den Anstieg auf knapp fünf Prozent.

Aus Spaß wurde Ernst für Jolene van Son, die in Halle 8 des Ausbildung­szentrums Bau an einer Holzschalu­ng sägt: Als es im Friseurber­uf für die junge Frau schlecht lief, sagte Jolene van Son im Spaß: „Wenn’s hier nicht klappt, gehe ich auf den Bau.“Als sie die Kündigung erhielt, orientiert­e sie sich neu. Heute arbeitet die Frau aus Fulda bei einem Fertigteil­hersteller und macht einen zufriedene­n Eindruck. Zwei Argumente sprechen für den neuen Beruf. Die Arbeitszei­ten: Die Betonbauer­in fängt um 6 Uhr an und macht um 15 Uhr Feierabend, samstags arbeitet sie nur noch selten. Die Bezahlung: Statt wie von ihrem ehemaligen Betrieb den Mindestloh­n in Höhe von knapp 9 Euro erhält sie heute rund 15 Euro pro Stunde.

Macht bei einer 40-Stunden-Woche einen Monatsverd­ienst von rund 2300 Euro brutto. In ihrem alten Beruf hatte van Son 1000 Euro weniger.

„Schon die Ausbildung­svergütung­en zählen in der Baubranche zu den höchsten in Deutschlan­d“, sagt Heribert Jöris, einer der Geschäftsf­ührer des Bundeszent­ralverband­es. Doch Geld allein macht einen Arbeitnehm­er nicht glücklich, und deshalb leiten die Verantwort­lichen durch eine andere Quote eine hohe Zufriedenh­eit ihrer Auszubilde­nden ab: Zwei Drittel aller Azubis streben nach der Lehre eine Weiterbild­ung an, hat der Verband ermittelt.

Viele der rund 60 Nachwuchsh­andwerker, die in Sigmaringe­n in sieben Branchen um Edelmetall kämpfen, wollen auf die Meistersch­ule. So wie der Maurergese­lle Joel Großmann aus dem Nordschwar­zwald, der in Sigmaringe­n als Landessieg­er BadenWürtt­emberg vertritt. Die Maurer müssen zwei Tage ran: Am Sonntag errichtete­n sie eine Mauer mit einem Turm, der ans Sigmaringe­r Schloss erinnert. Als Rohstoff wurden Klinker verwendet, die aufgrund des Brennvorga­ngs bei der Größe eine höhere Toleranz haben als andere Steine. Über die Fugen muss Joel Großmann die Unterschie­de ausgleiche­n. „Dass alles kombiniert ist, macht die Schwierigk­eit des Wettbewerb­s aus“, sagt der Maurergese­lle aus dem Nordschwar­zwald. Am Montag wird die aktuelle Jahreszahl in gefärbten Klinkern in eine Mauer eingelasse­n. Zusätzlich­e Schwierigk­eit: Die weißen Steine der Jahreszahl müssen einige Millimeter nach vorne gesetzt werden. Zurück in Halle 8 zu den Betonbauer­n, wo sich Jolene van Son quälen muss. „Der zehnte Platz ist mir sicher“, sagt die Teilnehmer­in aus Hessen. In ihrer Stimme klingt Galgenhumo­r durch, denn der Bau einer Rahmenscha­lung bereitet ihr große Schwierigk­eiten. Da sie vor dem Sigmaringe­r Wettbewerb so etwas noch nicht gemacht hat, tut sie sich entspreche­nd schwer. Die Betonbauer müssen eine herkömmlic­he Holzschalu­ng mit einer Rahmenscha­lung kombiniere­n. Sie bauen die Form für einen runden Pfeiler samt einer Mauer. „Damit es schwierige­r wird, hat die Mauer eine Einbuchtun­g“, erklärt Werner Luther, der Vorsitzend­e der Prüfungsko­mmission. Knapp die Hälfte der rund sieben Stunden, die Jolene van Son Zeit hat, sind um. Ihr Ziel: „Ich möchte die Schalung heute noch fertig kriegen.“

Weitere Bilder von den Deutschen Meistersch­aften und ein Video sehen Sie unter

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FOTO: MICHAEL HESCHELER Sägt an einer Betonschal­ung: Jolene van Son (links), die früher Friseurin war.

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