Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Papst und das verbotene Wort
Vertreibung der Rohingya spielt kaum eine Rolle bei Staatsbesuch in Myanmar
NAYPYIDAW/RANGUN (dpa) - Es ist ein mächtiger, geradezu unmenschlicher Bau, in dem Papst Franziskus seine erste Rede in Myanmar hält. Als er neben Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in das Kongresszentrum einzieht, begleitet von tanzenden Menschen mit Pfauenfedern auf dem Kopf, ist das eine geradezu bizarre Szene. Das ConventionZentrum in der noch recht jungen Hauptstadt Naypyidaw steht für die jahrzehntelange Militärherrschaft in dem Land, das nun wegen der Verfolgung der muslimischen RohingyaMinderheit in den Schlagzeilen steht.
Hier in dieser künstlichen Welt fordert Franziskus nun die Achtung der Menschenrechte ein. Suu Kyi, mittlerweile faktische Regierungschefin und international umstritten, hört genauso zu wie zahlreiche Militärs und Diplomaten. Der Papst wählt seine Worte mit Bedacht. Es sei wichtig, die „Achtung der Rechte aller zu garantieren, die dieses Land als ihr Zuhause ansehen“. „Die Zukunft Myanmars muss der Friede sein - ein Friede, der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitglieds der Gesellschaft gründet, auf die Achtung jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität.“Deutlicher wird er nicht.
Menschenrechtler sind enttäuscht
Den Konflikt, der in den letzten drei Monaten alleine mehr als 620000 Muslime in die Flucht getrieben hat, spricht er somit nur verklausuliert an. Menschenrechtler sind enttäuscht.
Zur ersten Myanmar-Reise eines Papstes überhaupt war der Argentinier mit Vorwarnung in das südostasiatische Land gekommen: Die kleine katholische Kirche vor Ort – gerade einmal etwa 650 000 Gläubige – empfahl ihm öffentlich, das Wort Rohingya gar nicht erst zu benutzen. Denn dadurch, so die Befürchtungen, könnte die Gewalt an der Grenze zum Nachbarland Bangladesch weiter eskalieren.
Von den 54 Millionen Menschen in Myanmar halten die meisten die Rohingya für muslimische Eindringlinge aus Bangladesch und nicht für eine eigene Ethnie. Auch bei der Bischofskonferenz in Myanmar äußern sich manche so.
Der Papst ist kein Politiker. Er ist religiöser Anführer, Kirchenoberhaupt und für viele auch moralische Instanz. In der Natur seines Amtes liegt es, sich für Menschenrechte und gegen jede Art von Verfolgung stark zu machen – egal ob es gegen Christen geht oder gegen Muslime oder Buddhisten. Im August hatte er sich noch explizit gegen die Verfolgung „unserer Rohingya-Brüder und -Schwestern“ausgesprochen.
Allerdings war das im Vatikan und nicht in Myanmar. Seine Wirkungsmöglichkeit in einem buddhistischen Land sind stark beschränkt. Als Oberhaupt der katholischen Kirche ist er in der Region mit ihren anderen Religionen nur eine Randfigur. Immerhin kann er aber die internationale Aufmerksamkeit erneut auf das Leid der Rohingya lenken. Der Papst-Besuch bei Suu Kyi kann auch als Unterstützung für sie gewertet werden. Schließlich hatte die 72-Jährige den Pontifex im Mai in Rom besucht. Damals wurden auch die ersten diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Myanmar aufgenommen. Suu Kyi hat Interesse daran, sich an der Seite des Pontifex zu zeigen und ihren ramponierten Ruf etwas aufzupolieren. Die Kritik an ihr wird dadurch aber sicher nicht leiser.
Suu Kyi geht nicht auf Distanz
Von der moralischen Autorität, die sich mit ihrem jahrzehntelangen friedlichen Kampf gegen die Militärdiktatur erworben hatte, ist heute nicht mehr viel übrig – dabei hat sie einen Großteil der Bevölkerung hinter sich. Die Sturheit, mit der sie sich gegen die Generäle zur Wehr setzte, wurde allseits bewundert. Heute wird ihr zur Last gelegt, dass sie gegen die „Säuberungskampagne“nichts unternimmt. Lange sagte sie nichts oder blieb sehr vage. Auch ihre Rede vor dem Papst blieb im Grunde nichtssagend. Auf Distanz zu Myanmars mächtigem Militärchef Min Aung Hlaing, dem Hauptverantwortlichen für das Vorgehen gegen die Rohingya, ging sie nie.