Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Europas seltsamste Wahl
Die heutige Wahl in Spaniens Konfliktregion Katalonien ist wohl der ungewöhnlichste Urnengang, der dieses Jahr in Europa stattfindet: Mehrere katalanische Spitzenkandidaten des Separatistenlagers sitzen in Untersuchungshaft, andere werden mit Haftbefehl gesucht. Das sind nicht gerade gute Vorzeichen für eine Abstimmung in einer demokratischen Gesellschaft. Dass die Wahl unter solch extremen Umständen stattfindet, haben sich die Protagonisten der Unabhängigkeitsbewegung freilich selbst eingebrockt. Sie hatten versucht, mit gesetzeswidrigen Mitteln die Unabhängigkeit durchzusetzen. Nun müssen die Separatistenführer die Konsequenzen tragen.
Zu den Konsequenzen gehört, dass einige vorerst eher nicht ins Katalonien-Parlament zurückkehren können. Wie etwa der katalanische Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont. Er war vor der spanischen Justiz, die ihn der Rebellion beschuldigt, nach Belgien geflüchtet – bei Rückkehr droht ihm die Festnahme. Auch Puigdemonts Ex-Vize, Oriol Junqueras, der in U-Haft sitzt, wird sein Abgeordnetenmandat wohl nicht so einfach antreten können.
Zur Erinnerung: Nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einer widerrechtlichen Abspaltungserklärung der katalanischen Separatisten im Oktober hatte Spaniens Zentralregierung eingegriffen: Madrid setzte die Regionalregierung in Barcelona ab und ordnete Neuwahlen an. Drastische Schritte, die durch die Verfassung gedeckt waren.
Man wird sehen, ob die Neuwahl dazu beiträgt, die Lage zu beruhigen. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Separatisten aus ihrem bisherigen radikalen Abspaltungskurs keinen Profit zu schlagen vermögen. Sie könnten ihre bisherige absolute Mehrheit im Katalonien-Parlament verlieren. Das prospanische Lager scheint derweil aufzuholen.
Doch auch wenn alles beim Alten bleiben sollte: Die Separatisten werden sich, wenn sie nicht wieder mit der Justiz kollidieren wollen, künftig an die spanische Verfassung halten müssen, die bisher die Abspaltung einer Region nicht vorsieht.