Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Traumatische Erfahrung
Heute beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Bombenattentäter auf den BVB-Mannschaftsbus
DORTMUND (dpa) - Ein Knopfdruck, ein Knall, Schreie. Nachdem die Bombe am Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund explodiert ist, steht der Verdacht eines weiteren möglichen islamistischen Anschlags im Raum. Intensiv suchen die Ermittler nach einem Ansatz. Waren es wirklich Islamisten? Linksextreme, militante Fußballfans oder Rechte? Nichts davon. Geldgier ist der Auslöser für den Anschlag: Sergej W., der heute in Dortmund vor Gericht steht, soll versucht haben, Fußballspieler des BVB zu töten und bei Aktienspekulationen abzukassieren. Zuletzt wohnte er in Rottenburg am Neckar.
Mehr als 50 Journalisten aus dem In- und Ausland werden erwartet, wenn die Anklage gegen den 28-Jährigen verlesen wird. Rund 50 Sitzplätze sind für Zuschauer reserviert.
Die Staatsanwaltschaft wirft Sergej W. 28-fachen Mordversuch und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. Heimtückisch, aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln habe der Elektrotechniker gehandelt, so die Anklage. W., der 2003 seine russische Heimat verlassen hat und inzwischen einen deutschen Pass besitzt, soll bisher jedoch erklärt haben, er habe in Dortmund lediglich Urlaub gemacht.
Die Ermittler sind davon überzeugt, dass der 28-Jährige am 11. April drei selbst gebaute Sprengsätze in einer Hecke am Mannschaftshotel des BVB im Dortmunder Süden deponiert hat. Nachdem das Team vor der Champions-League-Partie gegen AS Monaco am Hotel in den Bus gestiegen war und dieser sich langsam in Bewegung setzte, soll er die Bomben mithilfe von Fernzündern zur Explosion gebracht haben. Metallsplitter flogen durch die Luft. Viele drangen in den Bus ein und verletzten dort BVB-Abwehrspieler Marc Bartra, der mit einem Bruch des Unterarms ins Krankenhaus gebracht werden musste. Ein Polizist, der den Bus auf einem Motorrad begleiten sollte, erlitt ein Knalltrauma. Das Fußballspiel wurde abgesagt und am nächsten Abend nachgeholt.
Sergej W. soll den Tod von 28 Menschen in Kauf genommen haben, um selbst ein reicher Mann zu werden. Der BVB ist der einzige Fußballverein in Deutschland, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden. Laut Anklage kaufte W. in der Woche vor dem Anschlag für rund 26 000 Euro Optionsscheine und Kontrakte – und schloss mit diesen eine Wette auf die BVB-Aktie ab. Wäre der Kurs, wie von ihm erhofft, auf einen Euro abgerutscht, hätte der 28Jährige mehr als eine halbe Million Euro Gewinn gemacht.
Zehn Tage nach der Tat wurde W. festgenommen, nachdem die auffälligen Finanzgeschäfte durchleuchtet worden waren. Am Tattag soll der 28-Jährige ein Zimmer im Mannschaftshotel bewohnt haben. Außerdem fanden die Ermittler Hinweise darauf, dass er vor dem Anschlag zahlreiche Elektroartikel gekauft hatte, die für den Bau einer Bombe verwendet werden könnten. Für den Prozess hat das Dortmunder Schwurgericht 18 Verhandlungstage bis zum 28. März angesetzt. Mehrere Spieler haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.