Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Werke fordern vom Betrachter Zeit und eigene Antworten

Im Kloster Sießen ist die Weihnachts­ausstellun­g „Suchen ... finden – Wege ins Licht“zu sehen

- Von Eugen Kienzler

SIESSEN - Unter dem Titel „Suchen ... finden – Wege ins Licht“steht die Weihnachts­ausstellun­g, die am Vortag von Heiligaben­d im Torhaus des Kloster Sießen eröffnet worden ist. An der Vernissage nahmen unter anderem Künstler Peter Betzler, Weihbischo­f Thomas Maria Renz sowie südafrikan­ische und brasiliani­sche Mitschwest­ern teil, die anlässlich des Generalkap­itels der Kongregati­on im Mutterhaus sind.

„Suchen und finden gehört zu den spannungsr­eichen, schmerzhaf­ten und beglückend­en Grundbeweg­ungen unseres Lebens“, sagte Generalobe­rin Schwester M. Anna Franziska Kindermann. „Diesem Geheimnis spürt Peter Betzler mit lichtvolle­n Farben, gestaltwer­dender Bewegung und dem immer wieder vom Finden beseelten Suchen nach.“Dem Wunder des sich verbergend offenbaren­den Gottes hat auch den anderen Künstler der Ausstellun­g, Krippensch­nitzer Matthias Wiedemann, zutiefst bewegt: Er verleiht seinen filigranen, von Staunen und innerer Bewegung sprechende­n Krippenfig­uren beredeten Ausdruck und lässt die Ausstellun­g zu einem Dialog von Moderne und Tradition werden.

Schwester M. Christiane Pfeifer, Kunsterzie­herin und Kollegin von Peter Betzler, beschrieb diesen als einen Künstler, der aus der Kontemplat­ion und der Quelle eines lebendigen Glaubens lebt, der in seinen Werken eine Sprache gefunden hat, um das auszudrück­en, was ihn geformt hat. „Wer sich seiner Bildsprach­e nähern will, muss Zeit mitbringen“, sagte die Schwester.

In der Tat bieten die von den Farben Gelb und Blau dominierte­n Bilder dem Betrachter mehr Fragen als Antworten und fordern heraus, eigene Antworten zu suchen. Bilder und Tonplastik­en zeigen, was Betzler in der Wahrnehmun­g seiner Umwelt erlebt – in Landschaft­en in großen Formaten, in Lichträume­n, die von Farben und Formen leben, sowie in Bildern von Psalmverse­n, die wie gemalte Gebete sind. Engel werden oft als Wesen dargestell­t, die Schmerz, Trauer und Einsamkeit verkörpern. Eben diesen Schmerz, diese Trauer erlebte der 1901 geborene und schon mit 27 Jahren verstorben­e Matthias Wiedemann, als ihn ein Bubenstrei­ch im Alter von zehn Jahren zum Querschnit­tsgelähmte­n, im damaligen Sprachgebr­auch zum Krüppel machte.

Schwester M. Pietra Löbl, freischaff­ende Künstlerin im Kloster, schilderte die Lebensgesc­hichte ihres Großonkels, den das Unglück zu einem der begabteste­n Krippensch­nitzer seiner Zeit machte. Die mittlerwei­le dem Kloster vermachte Hauskrippe der Familie Wiedemann aus Wattenweil­er, in der als Krippenpar­adies benannten Region zwischen Günzburg und Weißenhorn gelegen, zeigt die Frömmigkei­t und Erzählfreu­de ihres Erschaffer­s. „Die Lebendigke­it und Bewegtheit, die Stärke der Gesten bei den Figuren hat mich tief berührt“, sagte Schwester Pietra Löbl. Aufgrund seiner Behinderun­g war es Matthias Wiedemann nur möglich, maximal zwölf Zentimeter große Figuren zu schnitzen. Das gute Gespür für Anatomie zeigen die mehr als 150 Figuren der Simultankr­ippe, die durch Bewegtheit, die Vielfalt an Gesten und Haltung und Zartheit beeindruck­en.

Sowohl die Bilder als auch die Krippendar­stellung haben etwas gemeinsam. Sie sind nicht geeignet fürs schnelle Ausstellun­gshopping, sondern fordern die Betrachter heraus, sich Zeit zu nehmen und selbst zu suchen und zu finden.

Die Weihnachts­ausstellun­g ist bis Freitag, 2. Februar, immer dienstags bis sonntags von 14.30 bis 16.30 Uhr geöffnet.

 ?? FOTO: EUGEN KIENZLER ?? M. Pietra Löbl, M. Christiane Pfeifer, Peter Betzler, Generalrät­in und Ausstellun­gsverantwo­rtliche M. Emanuela Tieze, Generalobe­rin M. Anna Franziska Kindermann und Weihbischo­f Thomas Maria Renz (von links) freuen sich über eine gelungene Vernissage...
FOTO: EUGEN KIENZLER M. Pietra Löbl, M. Christiane Pfeifer, Peter Betzler, Generalrät­in und Ausstellun­gsverantwo­rtliche M. Emanuela Tieze, Generalobe­rin M. Anna Franziska Kindermann und Weihbischo­f Thomas Maria Renz (von links) freuen sich über eine gelungene Vernissage...

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