Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Inklusion im Zeichen der Liebe
Stefan Schichos zieht von Aulendorf nach Hamburg, um mit seiner Freundin zusammenwohnen zu können
RAVENSBURG (sz) - Liebe kann Berge versetzen – und auch Menschen. So zieht Stefan Schichos vom oberschwäbischen Aulendorf nach Hamburg, um dort mit seiner Freundin Katrin Ahrens endlich zusammenwohnen zu können. Die Zieglerschen Behindertenhilfe hat ihre Geschichte in einer Pressemitteilung aufgeschrieben.
Der 49-Jährige strahlt über beide Ohren, als er über seine Zukunftspläne spricht. Stefan Schichos wohnt ab Weihnachten 2017 mit seiner Freundin Katrin Ahrens in einer ambulant betreuten Wohnung in der Stadt an der Elbe. Kennengelernt haben sich die beiden im Winter 2013 über ein spezielles Forum für Menschen mit einer Hör- und Sprachbehinderung auf der Kommunikationsplattform Skype. Seit diesen ersten Gesprächen hat sich ihre Verbindung zu einer Beziehung entwickelt, lange getrennt von 760 Kilometern Entfernung. Doch jetzt zieht Schichos hoch in den Norden.
35 Jahre lang hat Schichos beim Sozialunternehmen Die Zieglerschen gelebt und gearbeitet. Als Jugendlicher kam er in die Haslachmühle – eine Einrichtung für Menschen mit geistiger und zusätzlicher Hör- und Sprachbehinderung in Horgenzell im Kreis Ravensburg. Nach der Schule hat er einen Arbeitsplatz in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung der Haslachmühle gefunden. Mittlerweile hat die Werkstatt auch in Wilhelmsdorf und Aulendorf ihre Gebäude unter dem Firmennamen Neuland errichtet. „Ich freue mich für Stefan. Die beiden passen sehr gut zusammen“, meint Stefan Hehr, Arbeitserzieher in der Aulendorfer Werkstatt. Er hat Schichos jahrelang bei der Arbeit in der Elektromontage begleitet.
Auch Katrin Ahrens war für fünf Monate in Aulendorf. Zunächst waren alle gespannt, wie die Zusammenarbeit des Paares funktionieren würde. Ahrens hat es sehr gut im Neuland-Team gefallen. Sie konnte sich vorstellen, nach Oberschwaben zu ziehen. Die beiden Betreuer des Paares haben mit ihnen zusammen das Für und Wider eines Umzugs von Schichos oder von Ahrens erörtert und eine Lösung gefunden. Da der Waise Schichos in der Familie seiner neuen Freundin ein neues Zuhause gefunden hat, ist klar, dass er den großen Schritt wagen wird. Er freut sich schon auf den Umzug – ein bisschen nervös ist er aber trotzdem.
Denn es ist ein Start in ein ganz neues Leben: Arbeiten wird er an einem Standort der Elbe-Werkstätten, einer der bundesweit größten Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Auch Katrin Ahrens arbeitet hier in der Küche. Gemeinsam Wohnen werden sie in einer ambulant betreuten Wohnung, nicht weit entfernt von Ahrens Eltern. Sie hat zuvor schon in der Drei-Zimmer-Wohnung gelebt. Die 37-Jährige freut sich aber schon darauf, ihr Heim mit Schichos teilen zu können und einen gemeinsamen Rückzugsort zu haben.
„Positiv überrascht hat mich der reibungslose Ablauf und die überaus große Bereitschaft der Kostenträger, den Prozess in vielen Teilschritten zu begleiten. Er wird in Hamburg gut aufgehoben sein“, freut sich ein Mitarbeiter des Sozialdienstes der Zieglerschen Behindertenhilfe. „So sollte Inklusion auch sein: Die Menschen dürfen selber entscheiden, wo sie wohnen und arbeiten möchten.“