Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Free Deniz Yücel!“
Die Fakten sprechen für sich. Der deutsche Journalist Deniz Yücel sitzt seit einem Jahr ohne konkrete Anklageschrift im türkischen Gefängnis. Statt eines rechtsstaatlichen Verfahrens gab es lediglich eine persönliche Vorverurteilung („deutscher Agent“) vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Es braucht keine Fantasie, um bei der Betrachtung der vergangenen zwölf Monate festzustellen, dass diese Festsetzung einer Geiselhaft gleicht, mit der Erdogan politische Ziele gegenüber Deutschland durchsetzen will.
Mit Repression geht Ankara seit dem Putschversuch 2016 gegen die inländische Opposition vor. NatoVerbündete, die eine andere Sicht der Dinge haben, müssen Pöbeleien und wüste rhetorische Angriffe über sich ergehen lassen. Noch schlimmer trifft es die syrischen Kurden, die Erdogan mit Gewalt und Krieg überzieht. Medienvertreter, die all das dokumentieren, sind Erdogan ein Dorn im Auge.
Die unabhängige Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen führt eine Rangliste der Pressefreiheit. Die Türkei steht auf Platz 155 von 180 Staaten. Per Dekret hat Erdogan die mögliche Dauer von Untersuchungshaft auf absurde sieben Jahre verlängert. Wie Yücel sitzen über 150 Presseleute ein. Die Behörden werfen ihnen alles Mögliche vor. Sehr beliebt ist bei ihnen der Vorwurf, die Inhaftierten unterstützten Terrororganisationen, bei Yücel ist es laut Erdogan die kurdische PKK.
So wie es aussieht, wird am Donnerstag Angela Merkel den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim treffen. Sollte es halbwegs vertraulich werden, dann wird auch über Deniz Yücel gesprochen. Merkel muss dann klar machen, dass Deutschland auf die Freilassung des Reporters besteht. Große Hoffnung besteht nicht, denn viel hat sie nicht in der Hand. Die Schwierigkeiten der Regierungsbildung sind auch den Türken nicht verborgen geblieben, warum sollten sie jetzt Berlin nachgeben, wenn sie sich gerade mit den Vereinigten Staaten anlegen? Deshalb ist es eine fast ohnmächtige Forderung: „Free Deniz Yücel!“