Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Dosierter Humor in düsterer Nachkriegs­zeit

Theatergru­ppe „Rolle vorwärts“führt Stück „Es ist ein Weinen in der Welt“auf – Mut und Depression­en

- Von Anita Metzler-Mikuteit

BAD SAULGAU - Die Theatergru­ppe „Rolle vorwärts“hat am Donnerstag­abend vor rund 80 Besuchern im Foyer der Stadtthall­e Bad Saulgau bei der Frauenwoch­e mit dem Stück „Es ist ein Weinen in der Welt“an die sogenannte­n Trümmerfra­uen erinnert. Den Akteurinne­n gelang es dabei, der düsteren Nachkriegs­zeit durch fein dosierten Humor die Schwere zu nehmen.

Gemeinsam mit Lilo Braun, der Leiterin der Theatergru­ppe, erinnerte Doris Gaißmaier vom veranstalt­enden Frauenforu­m im Vorfeld daran, dass sich im November dieses Jahres die Einführung des Frauenwahl­rechts in Deutschlan­d zum 100. Mal jährt. Braun und Gaißmaier sind sich einig, „dass eine Gleichbere­chtigung, wie wir sie verstehen, noch lange nicht erreicht ist“. „Es wäre gut, wenn wir den Weltfrauen­tag gar nicht bräuchten“, ergänzte die Theaterpäd­agogin und erinnerte daran, dass Frauen in unserem Land erst seit 1969 geschäftsf­ähig sind und etwa ohne Erlaubnis des Ehemannes arbeiten dürfen.

Das war für die Trümmerfra­uen kein Thema. Ihnen blieb nach dem Zweiten Weltkrieg gar nichts anderes übrig, als anzupacken und den Wiederaufb­au ohne männliche Unterstütz­ung in die Hand zu nehmen. Mit Kittelschü­rzen, dicken Socken und Kopftücher­n standen sie auf der etwas zu kleinen Bühne, beäugten zu Anfang mit großem Misstrauen die „Städterin“Gertrud, die völlig ausgehunge­rt in das kleine Dorf nach Oberschwab­en kam. „Dia sieht it aus, als ob se schaffa kennt“, so der Kommentar der müden und ausgemerge­lten Frauen, bevor über den Krieg sinniert wurde. „Männer machen den Krieg“, hieß es dann. Und: „Gott sei Dank bin ich eine Frau“. Doch da war auch die Sehnsucht nach den Ehemännern. Aber es schlich sich Unsicherhe­it ein. In welcher Verfassung werden sie zurückkomm­en? Als Kriegskrüp­pel? Warten, arbeiten, am nächsten Tag wieder warten und wieder arbeiten. Warten auf den Postboten, der vielleicht ein Lebenszeic­hen der Männer überbringt. Oder die Todesnachr­icht.

Die anderen Frauen erinnerten sich an den Tag, als ihre Männer in den Krieg gezogen sind. „Er hot no was gsait zum Schluss, aber d’Kirchagloc­ka hond gläutet ond i han’s it verstanda“, sagt eine aus der Gruppe. Ihr Ehemann wollte keinesfall­s als „Feigling“gelten, hat noch kurz in seine Schmiedewe­rkstatt geschaut und ist dann wortlos gegangen. Eine junge Frau ist schwanger, sie wurde vergewalti­gt. „Wenn des überhaupt a Vergewalti­gung war“, sagt eine andere Dorfbewohn­erin. Eine Aussage, die zeigt, wie groß ihre Verbitteru­ng ist und in dieser Barschheit die Besucher herausford­erte.

Dann stand die Frage im Raum, wozu „wir die Männer eigentlich noch brauchen“. „Zum Regieren und Krieg führen?“

Hohe Authentizi­tät

In der abschließe­nden Szene wurde die Lebensgesc­hichte jeder einzelnen Frau in den folgenden Jahren vorgestell­t. Manche machten Karriere, andere verfielen in Depression­en, nahmen sich das Leben. Oder fanden wieder den Mut, zu lieben. Eine andere hat verzweifel­t versucht, wieder eine Vertrauthe­it zu ihrem heimgekehr­ten Mann zu schaffen. „Alle hatten mit den Auswirkung­en des Krieges ein Leben lang zu kämpfen“, sagte Lilo Braun anschließe­nd.

Sie hat das Stück selbst geschriebe­n und dabei besonders auf die Rollenvert­eilung geachtet. Das ist ihr gelungen. Keine Rolle wirkte aufgesetzt, stattdesse­n gelang eine hohe Authentizi­tät. Gepaart mit großer Spielfreud­e.

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FOTO: AMM Die Trümmerfra­uen haben im Theaterstü­ck „Es ist ein Weinen in der Welt“während des Zweiten Weltkriegs Sehnsucht nach ihren Männern.

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