Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gesetz stellt Israels Koalitionspartner vor Krise
Eigentlich will keiner der israelischen Koalitionspartner Neuwahlen. Abgesehen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dessen Popularität trotz eines Korruptionsverfahrens gegen ihn ungebrochen scheint, hätte keiner seiner Partner bei einem vorzeitigen Urnengang viel zu gewinnen. Das zeigen jüngste Umfragen. Doch gerade weil die Ermittler des Betrugsdezernats Netanjahu immer dichter auf den Fersen zu sein scheinen, blicken diverse Kabinettsminister vor allem auf eigene politische Interessen. Umso brisanter ist die aktuelle Koalitionskrise, die im Streit um ein Wehrdienstgesetz entbrannt ist.
Ein Regierungskomitee hat zwar am Montagmorgen eine Vorlage abgenickt, die weitestgehend den Forderungen der religiösen Parteien entgegenkommt. Sie wollen, dass der überwiegende Teil der ultraorthodoxen Männer nicht zur Armee eingezogen werden, sofern sie an einer Jeschiwa, einer Religionsschule, studieren.
Doch Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, eine Galionsfigur der meist säkularen, russischsprechenden Einwanderer, lehnt den Entwurf ab. Auch Juristen warnen, der Gesetzestext entspreche nicht einem Urteil des Obersten Gerichts. Dieses hatte im vergangenen September die bisherige Praxis, strengfromme Juden vom Wehrdienst zu befreien, als Verstoß gegen das Gleichheitsgebot verworfen.
Die Zeit drängt. Die Vereinte Thora-Partei will dem nächsten Staatshaushalt nur zustimmen, wenn das Wehrgesetz zumindest in erster Lesung durchkommt. Der Etat soll noch im März verabschiedet werden. Einige Regierungsmitglieder, unter ihnen Justizministerin Ajelet Schaked, haben sich auch dafür ausgesprochen, die kontroverse Vorlage am Mittwoch passieren zu lassen. Sie könne ja später noch den Wünschen des Verteidigungsministers angepasst werden.
Finanzminister droht mit Rücktritt
Die Lieberman-Fraktion Israel Beitenu (Israel ist unser Haus) hat aber klargestellt, dass für sie in Sicherheitsfragen kein fauler Kompromiss infrage komme. Wenn ihre Position in zweiter und dritter Lesung unberücksichtigt bleibe, erklärte Fraktionschef Robert Ilatov am Montag, „werden wir aus der Regierung austreten“. Auf der pünktlichen Etat-Abstimmung wiederum besteht Finanzminister Mosche Kahlon. Andernfalls nehme er den Hut. Ohne Israel Beitenu wäre Netanjahus Regierungsmehrheit zwar noch nicht unmittelbar gefährdet. Die Koalition hätte auch dann nach einem Austritt der Partei aus der Regierung ein Mandat mehr als die Opposition. Allerdings hat Netanjahu bereits erklärt, mit einer solch knappen Mehrheit nicht regieren zu wollen. Er würde sich damit abhängig von jedem Extrawunsch einzelner Abgeordneter machen.
Auch das heizt Spekulationen an, Netanjahu liebäugle mit Neuwahlen. Für ihn wären sie zugleich eine Art Referendum. Dabei geht es um die Frage, ob das Volk ihm oder der Polizei und den drei Kronzeugen glaubt. Sie stammen aus seinem Umfeld und sollen ihn in drei Verdachtsfällen wegen Bestechung schwer belasten.
Vom Gesetz her ist ein israelischer Regierungschef freilich erst zum Rücktritt gezwungen, wenn er rechtskräftig verurteilt wird.