Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gegossen wie gewachsen
Das Edwin-Scharff-Museum würdigt Bildhauer Emil Cimiotti - Klassiker der Moderne
NEU-ULM - Die Karriere des Bildhauers Emil Cimiotti beginnt wie im Zeitraffer. 1949 nimmt er mit 22 Jahren sein Studium an der Akademie in Stuttgart auf, gut zehn Jahre später ist er schon ein international gefeierter und wirtschaftlich erfolgreicher Künstler, Biennale- und DocumentaTeilnehmer.
Für Helga Gutbrod, die Leiterin des Edwin-Scharff-Museums, ist der gebürtige Niedersachse ein „Senkrechtstarter“, ein „Pionier der Nachkriegsmoderne“. Doch damit werde man Cimiotti nicht gerecht: Der inzwischen 90-Jährige blickt auf sieben Jahrzehnte künstlerischen Schaffens zurück. Dieses würdigt das Neu-Ulmer Kunstmuseum nun mit seiner ersten und sehr sehenswerten Ausstellung nach der eineinhalbjährigen Umbaupause.
Die 50er-Jahre haben den Ruhm des aus einfachsten Verhältnissen stammenden Plastikers begründet, sie überlagern aber auch bis heute seine Wahrnehmung, wie die Ausstellungskuratorin Christa Lichtenstern beklagt. Denn ein Künstler des Informel, also jener abstrakten Kunstrichtung, die die Auflösung der Form zum Ziel hat, sei der von älteren Kollegen wie Willi Baumeister oder Constantin Brancusi geprägte Cimiotti in den späteren Jahren nicht mehr, sondern einer, der sich beständig weiterentwickelt hat.
Wechselspiel von innen und außen
Zwei Jahre später ist er mit „Der Berg und seine Wolken“schon woanders: Bei dieser Arbeit lässt sich nicht nur das reizvolle Wechselspiel von innen und außen nachvollziehen, dem die Ausstellung ihren von Goethe entliehenen Titel „Denn was innen, das ist außen“verdankt. Denn (ab)geschlossen, voluminös ist bei Cimiotti fast nichts; seine für gewöhnlich kleinen Plastiken fordern keinen Raum, sie sind von ihm durchdrungen.
Eine entscheidende Rolle spielt im Werk die Technik. Denn Cimiotti arbeitet mit einem Wachsausschmelzverfahren, das heißt, dass er eine Vorlage aus Wachs erstellt; diese wird danach mit Schamott umhüllt, dann das Wachs ausgeschmolzen und Bronze in den verbliebenen Hohlraum gefüllt. Dieses Verfahren lässt, anders als andere Gusstechniken, nur Unikate zu, erlaubt aber auch eine filigranere Gestaltung und eben jene rauen, organisch wirkenden Oberflächen.
In den frühen Jahren seiner Karriere habe Cimiotti „die Figur gehasst“, sagt Kuratorin Lichtenstern, die den Bildhauer auch persönlich gut kennt. Aber in den 1970ern und 1980ern, unter dem Eindruck politischer Themen und privater Schicksalsschläge, treten plötzlich Stillleben, Torsi und Büsten in das Werk, wobei das Gewachsene, sich in die Vertikale Stemmende seiner früheren Plastiken erhalten bleibt.
„Denn was innen, das ist außen“, entstanden in Kooperation mit dem Georg-Kolbe-Museum Berlin, wirft ein Schlaglicht auf einen Künstler, der einst ein Shooting Star war - und seinen frühen Ruhm durch beständige Wandlung und Fortentwicklung festigte. Gefeiert werden heute vielleicht andere, doch Emil Cimiotti ist eine der großen Künstlerpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts. Ein Klassiker.
Die Ausstellung läuft bis 21. Mai.