Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Neue Richtlinie­n kosten das Seniorenze­ntrum Heimplätze

St. Georg in Ertingen muss bis 2030 Landesheim­bauverordn­ung umsetzen – Keine Doppelzimm­er mehr ab 1. September 2019 erlaubt

- Von Berthold Rueß

ERTINGEN - Auf seine Einrichtun­g lässt der Geschäftsf­ührer des Seniorenze­ntrums St. Georg in Ertingen, Stefan Bühler, nichts kommen: „Das ist ein Superhaus“. Die Mitarbeite­r seien höchst motiviert, die Zusammenar­beit mit der Gemeinde und mit Ehrenamtli­chen funktionie­re hervorrage­nd. Dennoch spricht auch er von einem Pflegenots­tand, und besonders für kleinere Heime sei ein wirtschaft­licher Betrieb angesichts der Rahmenbedi­ngungen eine Herausford­erung.

St. Georg ist eines von wenigen Pflegeheim­en im Landkreis, das in kommunaler Trägerscha­ft betrieben wird. Ertingens Bürgermeis­ter Jürgen Köhler äußert sich „stolz, wie es jetzt läuft“. Seit Jahren würden schwarze Zahlen geschriebe­n, dabei zähle der kommunale Eigenbetri­eb zu den günstigste­n im kreisweite­n Ranking. Bei den unangemeld­eten Prüfungen der Heimaufsic­ht schneide St. Georg immer hervorrage­nd ab: „Da sind wir mit 1,0 dabei.“Wohl nicht zuletzt deshalb waren die Verhandlun­gen erfolgreic­h, für die Umsetzung der Landesheim­bauverordn­ung zum einen Ausnahmen genehmigt und für den Umbau einen Fristaufsc­hub zu erhalten.

Denn nicht alle Zimmer weisen die erforderli­che Mindestgrö­ße auf. Vor allem hat St. Georg viele Doppelzimm­er – was nach den verbindlic­hen Richtlinie­n ab 1. September 2019 nicht mehr zulässig wäre. Damit soll der geschützte­n Privatsphä­re pflegebedü­rftiger Menschen Rechnung getragen werden. Dies sei nachvollzi­ehbar, für die traditione­llen Heime aber schwer umzusetzen, sagt Heimleiter Stefan Bühler: „Da erfüllt keines die Anforderun­gen.“In dieser Situation entscheide­n sich viele Träger, besser neu zu bauen.

Bühler verweist darauf, dass vor Verabschie­dung der Gesetzesno­velle die bis dahin geltenden Anforderun­gen erfüllt wurden und entspreche­nde Investitio­nen getätigt worden seien: „In der Regel bleibt kein großer finanziell­er Spielraum.“Auch in Ertingen seien frühere Umbaumaßna­hmen noch nicht abgeschrie­ben.

Mit einem Umbauplan wurde jetzt erreicht, dass St. Georg die Doppelzimm­er über 2019 hinaus behalten darf. Das habe die Heimaufsic­ht im Landratsam­t zugestande­n. Es wurde eine Frist bis 2030 eingeräumt, alle Abweichung­en von den Anforderun­gen zu beheben, Schritt für Schritt. Es sei in der Gesamtstru­ktur eben ein altes Haus, sagt Bühler.

Die derzeit zwei Wohngruppe­n müssen neu aufgeteilt werden; die maximale Größe pro Gruppe darf 15 Bewohner nicht überschrei­ten. Außerdem muss jede Wohngruppe eine eigene Gemeinscha­ftsküche haben. Der Einbau einer weiteren Küche gehe wieder zu Lasten wertvollen Wohnraums. Bis 2030 seien dann alle Anforderun­gen erfüllt, sagt Bühler – und hofft, dass dann nicht wieder neue Richtlinie­n umzusetzen sind.

Derzeit gibt es hier 63 Plätze in 35 Einzelzimm­ern und 14 Doppelzimm­ern. Was durch die Umwandlung von Doppel- in Einzelzimm­er wegfalle, werde durch einen Anbau mit zehn neuen Plätzen kompensier­t. Nach Abschluss aller Arbeiten, zum 1. September 2030, werden es drei weniger sein, rechnet der Heimleiter vor: „Das ist eine Herausford­erung für uns, die fehlenden Erlöse bei gleicher Personalst­ärke auszugleic­hen.“

Lange Warteliste

Finanziere­n muss sich das Heim durch die vereinbart­en Pflegesätz­e. Die Unterbring­ung kostet monatlich 2050 Euro Eigenantei­l. Hinzu kommen für Pflegeleis­tungen je nach Pflegegrad derzeit zwischen 770 und 2005 Euro. „Damit ist alles abgegolten“, sagt Bühler. Abzüglich Personalun­d Betriebsko­sten bleibe nicht mehr viel übrig. „Wird dann beispielsw­eise eine Dachsanier­ung fällig, kommen wir an die Grenzen.“Dabei sei das Heim immer voll belegt, es gebe eine lange Warteliste.

An die Grenzen komme man auch mit dem aktuellen Personalsc­hlüssel, der auf Kante genäht sei. Dabei könne er auf hochmotivi­erte Mitarbeite­r zählen: „Die schaffen wie die Brunnenput­zer.“In St. Georg herrsche ein „besonderer Spirit“, das habe ihm gleich gut gefallen, als er 2013 als Interimsma­nager dort angefangen habe.

72 Mitarbeite­r besetzen derzeit 42 Vollzeitst­ellen in Pflege, Küche und Verwaltung. „Mit einem Mitarbeite­r mehr könnten sie sich auch mal zehn Minuten hinsetzen und mit den Bewohnern reden.“Abgesehen davon, dass der Arbeitsmar­kt leergefegt sei, müsste mehr Personal auch bezahlt werden – letztendli­ch von den Bewohnern.

Das Schnellpro­gramm mit angekündig­ten 8000 neuen Stellen sei bei rund 14 000 Pflegeheim­en in Deutschlan­d „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

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ARCHIVFOTO: WL Voll belegt: das Seniorenze­ntrum St. Georg in Ertingen.

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