Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Triathlon ein Leben lang
Weltmeister Daniel Unger erklärt seinen Sport und die beste Ernährung
RAVENSBURG - Zum guten Schluss des Vortrags über das gesunde Essen wird es am Donnerstagabend ein wenig experimentell im Medienhaus der „Schwäbischen Zeitung“zu Ravensburg. Ernährungs- und Gesundheitsexpertin Nicole König aus Langenargen, die einen aufschlussreichen Vortrag über eher Gutes (Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien, möglichst buntes Gemüse, viel kohlensäurearmes Wasser) und eher Böses (Omega-6-Fettsäuren, Zucker, zu viele Kohlenhydrate) der gemeinen Ernährung gesprochen hatte, klärt noch über die Darmflora auf. Der Darm muss blühen, sagt sie, und erläutert, wie er am besten gereinigt werden könnte. Also, für alle Sportfreunde auf der Suche nach Perfektionismus: Man nehme beim Stuhlgang ein Höckerchen, vielleicht das, auf dem sonst die Tochter beim Zähneputzen steht, lege die Füße drauf, und das große Geschäft kann sauber abgehen, wobei: So genau wollte man es nie wissen. Oder doch? Gesundheit geht ja jeden Menschen an. Jeder, sagt König also, soll so viel Wasser trinken, dass schon morgens in der Früh „das Pipi hell“ist.
Auch der Triathlon, der Profi-, Leistungs- und Breitensport mit 400 000 Aktiven in Deutschland, ist längst vom kleinen zum großen Geschäft geworden. Nichts bleibt auf der Suche nach (Selbst-) und Leistungsoptimierung heutzutage unversucht, das wurde bei Königs Vortrag klar, und bei jenem von Daniel Unger erst recht. Das Triathlon Team Ravensburg hatte den 40-jährigen Ex-Weltmeister aus Bad Saulgau, in Ravensburg geboren, geladen. Unger wohnt inzwischen in Ulm, wo er das Sportgeschäft „Sportfreund“betreibt, in dem er auch individuelle Fitnessoptimierung und Trainingskurse anbietet („mit Anamnesegespräch“) – am nächsten Tag ging es mit Kunden zum Radeln nach Fuerteventura –, und natürlich ist der Vater dreier Kinder auch selbst ein Sportsfreund geblieben. Zwölf Kilo mehr beträgt Ungers Kampfgewicht gegenüber 2007, seinem größten Jahr, als er in Hamburg Weltmeister wurde, oder 2008, als er in Peking Olympiasechster wurde. Doch sein passionierter Vortrag zeigt, dass er ein Triathlet, ein Eisenmann geblieben ist. Und einer dieser – mit Verlaub – Verrückten, die sich auch mal torkelnd und fast bewusstlos mit letzter Kraft gegenseitig ins Ziel schieben, wie die britischen Brownee-Brüder Jonny und Alistair 2016 in der brütenden Hitze von Mexiko – Alistair rettete Jonny damit den WM-Titel.
Profisportler sind Freaks inzwischen, sie versuchen, alle Zufälle auszuschließen, und die Freizeitsportler, die sich mit Ungers Hilfe für ihr Rennen am Flappachbad am 4. August motivieren, lassen sich gerne inspirieren vom großen Vorbild, das ja auch klein angefangen hat, damals, als Zwölfjähriger am Zielfinger See bei Mengen. Ein Bub, der nur durch eine schriftliche Erlaubnis der Eltern starten durfte, knapp vor dem Besenwagen 294. von 300 Startern wurde und dennoch vom Triathlonvirus infiziert wurde – respektive von einer Liebe, an der er noch immer hängt und leidet.
Unger gibt offen zu, dass der 19. August 2008 der schwerste Tag seines Lebens war. „Ich war der Olympiafavorit und wurde Sechster, und neben mir stand mein Freund und jahrelanger Trainingskollege Jan Frodeno und hatte Gold. Das musste ich erst mal verarbeiten.“Schon als 20-Jähriger am ALZ Sigmaringen habe Frodeno gesagt, er wolle mal der Beste der Welt werden. „Ich fand das damals arrogant, ich war ja besser, er hatte noch nichts erreicht. Aber er hat alles dafür getan, und er wurde der Beste der Welt, war Olympiasieger und hat zweimal in Hawaii gewonnen. Ich wollte zu Olympia, das war mein Ziel, und das war der Unterschied.“30 war Unger damals, „danach hätte ich aufhören sollen – irgendwie war die Luft raus, ich hatte die Hingabe, den absoluten Fokus nicht mehr“. Er machte weiter bis 35, wechselte noch zur Langstrecke. Dann war Schluss.
Die neue Luft nutzt Daniel Unger nun, um seinen Sport anzupreisen. Er erklärt auf witzige Art Laufübungen auf der Fußspitze inklusive Pulsmessung und alle machen mit, er zitiert einen Arztguru, der ihn mit den Worten: „Du bist zu fett“und einer folgenden Ernährungs- und Trainingsumstellung 50 Sekunden schneller gemacht habe. Er erinnert an den Wert der Wiederholung, des Zeitaufwands („Ausdauer ist das Geheimnis im Triathlon“), klarer Ziele, intrinsischer Motivation und der Belohnungen, aber auch der Trainingspausen und des „regenerativen Siebenstundenschlafs“, der Superkompensation, wie Experten sagen.
Und übrigens: Sport sei auch gut, um mal seine Ruhe zu haben, einfach abzuschalten, ohne Handy, Internet, Reizen von außen. „Das Training gibt uns die Legitimation, eine gewisse Zeit am Tag nur bei uns selbst zu sein.“Und die Gedanken wandern, die Ideen reifen zu lassen, bis sie nicht mehr da sind. Nur noch der Flow. Ach ja: Unger erwähnt noch, was der Münchner Faris Al-Sultan 2005 nach seinem Ironman-Sieg als Erstes machte: Er ging zu McDonald’s, wo es auf Hawaii übrigens köstliche Ananastaschen gibt.