Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mehr Drogenkonsumenten benötigen Hilfe
AGJ-Suchtberatung beschäftigt zudem das Thema übermäßiger Medienkonsum
SIGMARINGEN - Der Anteil der Drogenkonsumenten im Klientel der AGJ Suchtberatungsstelle für den Kreis Sigmaringen ist rapide angestiegen, vor allem, wenn man einen Vergleich mit den Vorjahren anstellt: 2012 waren es noch 272, 2017 bereits 418 Drogenkonsumenten. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht hervor.
„Die Zahlen beziehen sich auf diejenigen, die zu uns kommen – aber es liegt die Vermutung nahe, dass es draußen ähnlich aussieht“, sagt Klaus Harter, Leiter der Suchtberatungsstelle der AGJ. Problematisch sieht Harter auch den Anstieg des Haschischkonsums bei jungen Menschen – von 20 Prozent ist dieser Anteil im Jahr 2011 auf 41 Prozent im Jahr 2017 angewachsen. In den Augen Harters hängt dies auch mit der Debatte um die Legalisierung von Cannabis zusammen, was zu einem unkritischeren Umgang mit der Droge führe. „Viele jungen Leute haben keinerlei Unrechtsbewusstsein, was Haschisch angeht.“Dabei seien diejenigen, die angeben, Haschisch zu konsumieren, vorwiegend bei der AGJ, weil sie mit der Droge Probleme, beispielsweise in Form von Psychosen, bekommen hätten.
Ein weiteres Thema, das die AGJ beschäftige, sei die Mediensucht, wobei man bei Kindern noch nicht von Sucht sprechen könne und daher auch die Erziehungsberatungsstelle auf diesem Themenfeld tätig sei. „Wir haben häufig Schulklassen zu Besuch und gehen zu Elternabenden an Schulen. Da ist der Medienkonsum immer Thema Nummer eins“, so Harter. Problematisches Verhalten sei es, wenn es mit Kontrollverlust einhergehe. „Eltern müssen selbst Vorbild sein, konsequent sein, Regeln aufstellen und sich mit ihren Kindern aktiv beschäftigen“, so Harter.
Ein Drittel derjenigen, die bei der Beratungsstelle 2017 aufschlugen, sind Frauen. Das würde aber nicht bedeuten, dass Sucht ein überwiegend männliches Thema ist. „Frauen wenden sich eher an psychosomatische Kliniken, weswegen sie in unserer Statistik nicht so häufig auftauchen wie Männer“, sagt Harter.
Mehr Betroffene (nämlich im Schnitt 35 statt 2016: 27) kamen im Jahr 2017 ohne Vermittlung zur Suchtberatung. „Durch das Internet verbreitet sich unser Angebot immer mehr“, sagt Klaus Harter, Leiter der Suchtberatungsstelle. Zugenommen hat die Zahl der Minderjährigen bis 14-Jährigen, die bei der Suchtberatungsstelle Hilfe erfahren. Damit ist aber nicht gemeint, dass diese ein Suchtproblem haben: „Es handelt sich dabei um Kinder suchtkranker Eltern. Diese begleiten wir in Gruppen“, sagt Harter. Der Zuwachs hänge mit der verstärkten Kooperation mit Partnern wie der Jugendhilfe zusammen. Laut Harter besteht ein Zusammenhang zwischen einer Abhängigkeit im Elternhaus und eigener späterer Suchterkrankung der Kinder, weshalb es sinnvoll ist, den Kindern suchtkranker Eltern früh zu helfen. „Ein großer Anteil unserer Klientel gibt an, Kind suchtkranker Eltern zu sein.“Bei der AGJ können die Kinder über die Sucht der Eltern sprechen, auch Schuldgefühle können dabei ein Thema sein.
Arbeitslosigkeit begünstigt Sucht
Ein Faktor, der Sucht begünstigt, kann auch Arbeitslosigkeit sein. „Ich beobachte die Entwicklung des Arbeitsmarkts und stelle fest, dass sie um zwei Jahre versetzt mit der Anzahl der bei uns betreuten Personen korreliert.“Eine niedrige Arbeitslosenquote wie derzeit wirke sich positiv aus – so sind 2017 nur 158 40-49Jährige statt 190 wie im Vorjahr bei der AGJ betreut worden. Der Rückgang zeigt sich auch in anderen Altersklassen. „Arbeit kann stabilisierend wirken – und Arbeitslosigkeit ist ein psychosozialer Risikofaktor“, sagt Harter.