Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit dem Rollstuhl nach Venedig

Michael Schmid will im Juni mit dem Hand-Bike von Sigmaringe­n nach Italien fahren

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Um auf die Diskrimini­erung und Benachteil­igung von Menschen mit Behinderun­g aufmerksam zu machen, will Michael Schmid aus Sigmaringe­n im Juni von Sigmaringe­n nach Venedig fahren – mit dem Rollstuhl, an den ein sogenannte­s Hand-Bike angeschlos­sen wird. Einen Elektromot­or kann er zuschalten, wenn es zu anstrengen­d wird.

560 Kilometer lang ist die Strecke, die es in fünf bis sechs Tagen zu bewältigen gilt. Im besten Fall wird ihn ein Freund begleiten. Und falls nicht? „Dann fahre ich die 560 Kilometer auch wieder zurück“, sagt der Sigmaringe­r. Die Route führt den 47-Jährigen über Pfullendor­f an den Bodensee, von dort aus nach Österreich und dann über Meran nach Venedig. Ziel ist der Campingpla­tz Marina di Venezia, auf dem er fast jedes Jahr mit seiner Frau Urlaub macht. Auch dort hat er schon Diskrimini­erung erfahren – von einem Feriengast, der ihn übel beleidigte, weil Schmid ihm mit dem Rollstuhl im Weg stand. Laut Schmid kein Einzelfall.

„Jahrelange­r Kampf“

Trotz verschiede­ner körperlich­er Einschränk­ungen fühlt sich der Sigmaringe­r fit. Bei ausgedehnt­en Spaziergän­gen mit seiner Frau trainiert Michael Schmid, der seit 2015 in Sigmaringe­n wohnt. Auch Strecken von mehr als 20 Kilometern ohne Handbike, nur mit dem Rollstuhl, kann Schmid ohne Weiteres zurücklege­n. Sein Hand-Bike kommt erst in den nächsten Wochen an. Dann will er das Training intensivie­ren. „Es war ein jahrelange­r Kampf, bis mir die Kasse das 7000 Euro teure Hand-Bike bewilligt hat“, sagt Schmid. Auch deswegen will er der ganzen Welt zeigen: „Ich schaffe das.“Und: „Kämpfen lohnt sich.“Schmid kämpft an vielen Fronten: Zum Beispiel gegen seine Krankenkas­se, die ihm Rollstuhl und Hand-Bike nicht bezahlen wollte, wie er sagt.

Schmids Bein musste zehn Jahre nach einem Unfall, der sich 1998 ereignete, amputiert werden. Nach dem Unfall fühlte er sich von Ärzten mehrfach falsch behandelt , es folgte eine Odyssee mit Krankenhau­saufenthal­ten, zig Operatione­n und schließlic­h der Amputation des Beins. Zudem führte ihn eine auf seinen Namen eingetrage­ne Firma in die Privatinso­lvenz. „Meine heutige Frau habe ich in der Reha kennengele­rnt, sie gibt mir viel Kraft“, sagt Schmid. Nachdem er sich wieder aufgerappe­lt hatte, wollte er wieder in seinem Beruf als Fernfahrer aktiv werden und fand schließlic­h auch eine Arbeitsste­lle. Das war 2012. Mit Prothese konnte er wieder Lastwagen fahren, war aber beim Be- und Entladen des Fahrzeugs auf die Hilfe der zu beliefernd­en Firmen angewiesen. Bei einer Fahrt nach Magdeburg wurde ihm diese Hilfe verweigert: „Ich musste selbst abladen und bin vom Auflieger des Lkw gefallen“, berichtet Schmid. Er fiel auf seinen Beinstumpf, verletzte sich zudem an der Schulter, dabei wurde seine Prothese zerstört. Es folgten weitere Operatione­n. „Richtig helfen konnten mir erst die Ärzte hier in Sigmaringe­n am Krankenhau­s“, so Schmid. Sie entfernten den Nerv im Stumpf, sodass dieser nicht mehr schmerzte. Und er habe kämpfen müssen – dafür, dass die Berufsgeno­ssenschaft anerkannte, dass die neuen Schmerzen nicht aus dem alten Unfall resultiert­en.

Trotz seiner Einschränk­ungen fühlt sich Schmid fit für die Herausford­erung. „Ich habe früher viel Kraftsport gemacht“, so der 47-Jährige, der in einem nicht-barrierefr­eien Haus wohnt und mithilfe von Krücken auch kleine Treppen bewältigen kann. Mit seiner Tour nach Venedig will er andere Menschen mit Behinderun­g motivieren und ein öffentlich­es Bewusstsei­n für deren Probleme schaffen. Am liebsten wäre ihm, ein Kamerateam würde ihn dabei begleiten. Auch Sponsoren sucht er noch für die Tour. Über mögliche Barrieren auf dem Weg nach Italien sagt Schmid nur: „Die überwinde ich. Augen zu und durch.“

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FOTO: BUCHMAIER Michael Schmid hat ein ambitionie­rtes Ziel: Mit dem Rollstuhl will er von Sigmaringe­n nach Venedig fahren. Im Jahr 2008 wurde sein Bein amputiert.

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