Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Petersen im Glück
Freiburgs Stürmer ist die größte Überraschung im vorläufigen WM-Kader – Götze fehlt
DORTMUND (dpa/SID) - Nils Petersen! Nicht Sandro Wagner oder Mario Gomez. Auch nicht Sandro Wagner und Mario Gomez. Nein, Nils Petersen! Und Mario Gomez. Es hatte also seinen Grund, dass Bundestrainer Joachim Löw am letzten Spieltag der Bundesliga tatsächlich beim SC Freiburg auf der Tribüne saß. Ein letztes Mal beobachtete er einen Mann, der sich einen Namen gemacht hat als Rekordjoker – und der in der vergangenen Saison häufiger ins Tor getroffen hat als jeder andere deutsche Stürmer.
„Die Chance dabei sein zu können, ist die Krönung der Saison“, ließ Petersen nach der Bekanntgabe durch seinen Club mitteilen. Interviews Bundestrainer Joachim Löw
geben will er erst mal nicht, für die Rolle im Mittelpunkt ist der 29-Jährige aus dem Harz zu bescheiden. Petersen hat noch kein A-Länderspiel absolviert, deshalb musste ihn der DFB bei der visuellen Präsentation des WM-Kaders am Dienstag im Olympia-Trikot von 2016 abbilden. Aber er ist offensichtlich ein Spieler, bei dem sich Löw auf seinen Bauch verlässt. „Mein Gefühl ist, dass er mit der Aufgabe wächst, von ihm verspreche ich mir einiges“, versicherte der Bundestrainer. Petersen, 2011/12 mal bei Bayern München unter Vertrag, hat für Freiburg 15 Tore in der abgelaufenen Bundesligasaison erzielt. Nur Robert Lewandowski traf in der Liga häufiger.
Wagners Bauchgefühl trügt
Fünf dieser 15 Tore waren Elfmeter – im Trikot der deutschen Nationalmannschaft verschoss der Stürmer allerdings bei den Olympischen Spielen 2016 im Finale gegen Brasilien seinen Versuch. Deutschland wurde „nur“Olympia-Zweiter. Es ist aber sowieso vor allem eine Qualität von Petersen, die es Löw angetan hat: „Er ist auch ein sehr, sehr guter Joker“, sagte der Bundestrainer. 20 Treffer hat der Stürmer in seiner Karriere in der Bundesliga erzielt, nachdem er eingewechselt wurde. Petersen ist ein klassischer Joker, der stechen soll, wenn es die anderen Trümpfe nicht tun.
Ein Trumpf wäre Sandro Wagner gerne gewesen. Der Stürmer des FC Bayern war sich sicher, dass er in Russland dabei sein würde. „Ich habe es verdient mitzufahren“, betonte der 30-Jährige mehr als einmal, „ich fahre da auch mit, da bin ich mir sicher.“Aber der Bauch von Löw sagte eben etwas anderes als der Bauch von Wagner. „Mein Job als Bundestrainer ist es
manchmal, Träume platzen zu lassen und harte Entscheidungen zu treffen. Es ist nie gegen einen Spieler, sondern immer im Sinne der Mannschaft und des Gesamterfolges“, sagte Löw, der am Dienstag überraschend seinen Vertrag beim DFB bis 2022 verlängerte. Auch Löws Assistenten Andreas Köpke, Thomas Schneider und Marcus Sorg bleiben bis 2022, Manager Oliver Bierhoff sogar bis 2024. Wagners Hoffnungen auf die WM waren nicht unbegründet. Nach acht Toren in 14 Spielen für den deutschen Meister hatte der ConfedCup-Sieger fest mit einer Russland-Reise gerechnet. „Es entscheiden Kleinigkeiten“, meinte Löw, gab aber auch zu: „Manchmal hat man nicht die vielen Argumente. Sandro hat bei uns schon seine Klasse nachgewiesen.“Mehrfach wurde Wagner von Trainer Jupp Heynckes gelobt. „Ich hoffe, dass er zur WM geht, das hätte er verdient.“
Hätte er wohl, aber er ist eben auch einer, der einem zu ähnlich ist: Mario Gomez. Der 32-Jährige kam für den VfB Stuttgart in 16 Spielen ebenfalls auf acht Tore. Was ihn von Wagner unterscheidet: Er hat mehr internationale Erfahist rung. Nicht dabei auch Mario Götze. Schon für die Härtetests gegen Spanien (1:1) und Brasilien (0:1) war der Final-Siegtorschütze von 2014 nicht nominiert worden. „Er hat nicht seine Form gezeigt, die er bringen kann“, sagte Löw.
„Mein Job als Bundestrainer ist auch, Träume platzen zu lassen und harte Entscheidungen zu treffen.“
„Wir geben ihm die Zeit und hoffen, dass er es abrufen kann.“
Joachim Löw über seinen noch verletzten Torwart Manuel Neuer
Nicht zur Verfügung stand in den vergangenen Monaten auch Torwart Manuel Neuer – an seiner Nominierung für den vorläufigen WM-Kader gab es jedoch nur vereinzelt Zweifel. Der Weltmeistertorwart von 2014 in Brasilien sei nicht irgendwer, betonte Löw: „Manu hat schon vier größere Turniere gespielt. Er weiß, was ein Torhüter braucht. Wir geben ihm die Zeit und hoffen, dass er es abrufen kann.“Eine Nummer-1-Garantie sprach der 58-jährige Löw Neuer aber nicht zu. Wenn Neuer nicht doch noch am Samstag im DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt im Tor des FC Bayern stehen sollte, wird der 2. Juni zur Deadline. 15 Tage vor dem WM-Ernstfall in Moskau gegen Mexiko bestreitet die Nationalmannschaft ein Testspiel gegen Österreich. Spätestens da müsste Neuer spielen. Es wäre sein 75. Länderspiel, sein erstes seit fast zwei Jahren.