Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Lange Wartezeiten verleiten zum „Drüberhuschen“
Am Bahnübergang am Schönenberg müssen Fußgänger nun zum Teil länger als zehn Minuten warten
SIGMARINGEN - Wer dem Schleichweg hinter dem Sigmaringer Tennisplatz folgt, um zum Gewerbegebiet am Schönenberg zu gelangen, steht neuerdings vor einer geschlossenen Bahnschranke – und wartet dort unter Umständen deutlich länger, als an Bahnübergängen üblich. Weil die Deutsche Bahn auf der Strecke ihre Zugdichte verändert hat, muss die Anrufschranke nun dauerhaft geschlossen bleiben. Sie öffnet erst, wenn ein Verkehrsteilnehmer den Klingelknopf an einer Gegensprechanlage drückt. Dann erhält man Auskunft vom Fahrdienstleiter des Sigmaringer Bahnhofs, wann man überqueren darf.
Wartezeiten von zwölf Minuten sind dort keine Seltenheit, wie der Selbsttest zeigt. Zeit, die mancher Fußgänger womöglich nutzt, um das Gleisbett verbotenerweise bei geschlossener Schranke zu überqueren, wie ein vorbeijoggender Mann, der nicht namentlich genannt werden möchte, zugibt. „Die Bahn hat dort nun auch einen Zaun entlang der Gleise gebaut, aber ich laufe immer drumherum“, gibt der Mann zu. „Wenn ich für ein paar Minuten anhalte, komme ich ja aus dem Laufrhythmus.“Die Strecke wird von vielen Spaziergängern und Radfahrern als Abkürzung zum Gewerbegebiet genutzt.
Laut einem Bahnsprecher erforderte die Steuerung der Züge, vorwiegend Güterverkehr, die sowohl von Sigmaringen nach Mengen als auch in Gegenrichtung verkehren, die Dauerschließung. Die Maßnahme diene als Sicherheitspuffer. Auf die Nachfrage hin, warum die Schranke bei Bedarf nicht kurz geöff- net werden könne, etwa zehn Minuten bevor ein Zug komme, verweist der Bahnsprecher auf unumgängliche Regularien. Dazu, wie lange die Schranke maximal geschlossen bleiben muss und wie lange Fußgänger also höchstens warten müssen, kann der Bahnsprecher keine Aussage machen: „Das ist Einzelfallabhängig.“
Öffnung nur möglich, wenn kein Zug auf dem Hin- oder Rückweg ist
„Der Bahnübergang ist in unseren Zugfahrstraßen eingebunden. Das bedeutet, wenn ein Zug erwartet wird und das betreffende Signal auf Fahrt gestellt ist, kann der Bahnüber- gang nicht mehr geöffnet werden. Konkret heißt das, dass Öffnungen des Übergangs nur möglich sind, wenn sich keine Züge im Zulauf von Mengen beziehungsweise Sigmaringen befinden.“In der Regel verkehren auf dem Streckenabschnitt zwischen Mengen und Sigmaringen vier Züge pro Stunde (insgesamt 80 Züge während der Betriebsstunden auf diesem Streckenabschnitt). „Teilweise kreuzen die Züge tagsüber auch in Sigmaringen, das heißt, sobald der Zug aus Mengen eingefahren ist, fährt der in Sigmaringen wartende Zug Richtung Mengen“, so der Bahnsprecher. Folgender Ablauf wiederhole sich bei jeder Zugfahrt: „Fährt ein Zug von Sigmaringen in Richtung Mengen, wird der Bahnübergang vor Einstellung der Zugfahrstraße für etwa drei bis vier Minuten geschlossen, bevor er wieder geöffnet werden kann. Ist vorher aus Richtung Mengen ein Zug eingefahren, dauert die Schließung etwa fünf bis sechs Minuten. Ebenso verhält es sich, wenn nur ein Zug aus Richtung Mengen gefahren ist, da die automatische Sicherung des Bahnübergangs bereits vor Durchfahrt in Sigmaringendorf erfolgen muss.“Laut Argumentation des Bahnsprechers ergibt dies eine maximale Wartezeit von zehn Minuten. Wartezeiten von mehr als zwölf Minuten werden damit aber nicht erklärt. „Eine längere Schließzeit des Übergangs kann bei Störungen im Betriebsablauf erforderlich werden“, heißt es in der Stellungnahme der Bahn.
Verständnis für frustrierte Fußgänger, die verbotenerweise bei geschlossener Schranke über das Gleisbett huschen, hat man bei der Bahn freilich nicht. „Das ist lebensgefährlich“, so der Bahnsprecher. Scheint so, als müssten die Sigmaringer auf dem ehemaligen Abkürzungsweg mit den Wartezeiten leben.