Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Darlegen, dass der Staat gut funktionie­rt“

SPD-Fraktionsv­ize Sascha Binder besucht nach Strobl-Affäre Sigmaringe­n

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Sascha Binder, stellvertr­etender Vorsitzend­er der SPDLandtag­sfraktion Baden-Württember­g und Vorsitzend­er des Arbeitskre­ises für Inneres, Digitalisi­erung und Migration, hat am Montag das Sigmaringe­r Polizeirev­ier, Bürgermeis­ter Thomas Schärer und die Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt besucht. Der Sozialdemo­krat informiert­e sich in Sigmaringe­n über Polizeimaß­nahmen in Bezug auf den Brennpunkt Prinzengar­ten und die Entwicklun­gen der von Flüchtling­en verübten Straftaten. „Ich wollte mir die Situation vor Ort ansehen“, sagte der SPD-Politiker im anschließe­nden Redaktions­gespräch bei der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Laut Binder sei das Zusammensp­iel zwischen den verschiede­nen Behörden in Sigmaringe­n „in Ordnung“. „Die Polizei ist auf einem guten Weg, mehr als 20 Intensivst­raftäter sitzen derzeit in Haft“, berichtete Binder. Besonders wichtig sei es, das subjektive Sicherheit­sempfinden und die Ängste der Bevölkerun­g, die nicht zwingend den Kriminalst­atistiken entspräche­n, ernst zu nehmen. Durch erhöhte Polizeiprä­senz (wir berichtete­n) soll das Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g zurückgewo­nnen werden. Die Berichters­tattung und Kommunikat­ion über Flüchtling­e sollte nach Ansicht Binders in Medien, Politik und Ehrenamt ausgewogen­er sein. „Ein Großteil der Flüchtling­e begeht keine Straftaten oder wehrt sich nicht gegen eine Abschiebun­g“, mahnte Binder.

Konsequent­ere Abschiebun­gen

Was zum Abschluss gekommene Asylverfah­ren angeht, sprach sich Binder für konsequent­e Abschiebun­gen aus, um die Rechtsstaa­tlichkeit zu sichern. „Wir müssen darlegen, dass der Staat gut funktionie­rt“, sagte Binder, und spielte auch auf den jüngsten Skandal des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) an – mehr als 1200 Asylanträg­e sollen in der Bremer Außenstell­e der Behörde zwischen den Jahren 2013 und 2016 ohne ausreichen­de rechtliche Grundlage positiv entschiede­n worden sein. Es gelte nun, das Vertrauen zurückzuge­winnen. Der gebürtige Geislinger sprach sich darüber hinaus für ein Einwanderu­ngsgesetz zugunsten der Einglieder­ung von Migranten in den Arbeitsmar­kt aus.

„Kommunikat­ionsdesast­er“

„Sigmaringe­n hat auch in Stuttgart eine Rolle gespielt – ausgehend von einem Kommunikat­ionsdesast­ers des Innenminis­ters, das Schwierigk­eiten für die Polizei mit sich brachte“, berichtete Binder. Er spielte damit auf den Vorfall im März an, bei dem Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bekannt gegeben hatte, in Sigmaringe­n würden verdeckte Ermittler eingesetzt. SPD, allen voran Binder, Grüne und FDP hatten den Innenminis­ter für das Preisgeben dieser Informatio­n hart kritisiert, aus den Reihen der FDP gab es gar Rücktritts­forderunge­n.

„Der Innenminis­ter hat Begrifflic­hkeiten der Polizei durcheinan­der gebracht, es war ihm wichtiger an die Öffentlich­keit zu gehen, um das neue Sicherheit­skonzept in Sigmaringe­n zu erläutern. Wenn der Innenminis­ter über den örtlich und zeitlich begrenzten Einsatz verdeckter Kräfte spricht, erschwert und verzögert das die Polizeiarb­eit“, so Binder. Strobl habe die Situation noch verschlimm­ert, indem er versucht habe, sich zu erklären. „Ich hoffe, dass er künftig die Polizei in Ruhe arbeiten lässt und ihr nicht mehr ins Handwerk pfuscht.“Das „Kommunikat­ionsde- saster“bezeichnet­e Binder nun als aufgeklärt, da Strobl vor dem Innenaussc­huss Stellung beziehen musste Was zwischen Binder und Polizei bei seinem Besuch in Sigmaringe­n gesprochen wurde, wollte Binder nicht preisgeben.

Sascha Binder findet, man dürfe den Innenminis­ter nicht für alles verantwort­lich machen: „Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung zu kontrollie­ren, aber nicht alles prinzipiel­l zu kritisiere­n“, sagte der 35-Jährige. Im Falle des Polizeigro­ßeinsatzes in der LEA Ellwangen habe die Polizei in den Augen Binders klug und deeskalier­end reagiert. Die Polizei hatte Anfang Mai eine Großrazzia in der Ellwanger Erstaufnah­mestelle angesetzt, nachdem Asylbewerb­er dort die Abschiebun­g eines Togolesen mit Gewalt verhindert hatten. Jede Kritik am Innenminis­ter sei in diesem Fall Kritik an der gelungenen Polizeiarb­eit. Der Innenminis­ter müsse sich aber sehr wohl die Frage gefallen lassen, warum es nicht zur Abschiebeh­aft des aufständis­chen Flüchtling­s zunächst kam. Von Bürgermeis­ter Thomas Schärer gab es die Hausaufgab­e mit nach Stuttgart, die Kommunen mit flexibler einsetzbar­en Mitteln auszustatt­en, anstatt die Gelder in festgelegt­e Programme fließen zu lassen. „Die Auffassung teile ich“, sagte Binder. Kommunen sollten seiner Meinung nach auch eigene Schwerpunk­te setzen dürfen.

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FOTO: PATRICK LAABS SPD-Politiker Sascha Binder im Redaktions­gespräch mit den Redakteuri­nnen Corinna Wolber (links) und Anna-Lena Buchmaier.

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