Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Die Möglichkeit der Retouren verführt schnell zum Kauf“
Der Onlinehandel vernichtet umgetauschte Ware in vielen Fällen – Der stationäre Handel hat dagegen kaum mit Retouren zu tun
RAVENSBURG - Retouren und Lagerbestände landen im Onlinehandel offenbar häufig im Müll. Wie das Problem aus Sicht des stationären Handels gesehen wird, darüber hat Kristina Priebe mit Hermann Hutter, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg, gesprochen.
Herr Hutter, dass bei Amazon täglich Waren vernichtet werden – ist das auch im stationären Handel der Fall?
Nein. Es gibt natürlich Retouren, aber im deutlich kleineren Umfang. Die Waren werden dann wieder verkauft oder kommen reduziert wieder in den Handel. Dass Waren vernichtet werden, kommt so gut wie nie vor. Das liegt aber auch an der Retourenquote. Die liegt im stationären Handel bei etwa einem Prozent. Ein Online-Händler hat eine Retourenquote die oft von zehn bis 50 Prozent reicht. Lagerbe- stände werden in der Regel über Aktionsverkäufe vertrieben.
Warum ist die Retourenquote im stationären Handel so viel niedriger?
Im stationären Sektor bringt der Kunde die Ware zurück, wenn sie doch nicht passt oder gefällt. Da ist der Händler in der Regel kulant. Online bestellt der Kunde oftmals drei Größen, weswegen eine gewisse Retourenquote schon programmiert ist.
Ist demnach auch der Kunde schuld, der das Zalando-Prinzip so attraktiv findet – also zehn Blusen bestellt, um eine zu nehmen und den Rest kostenlos zurücksendet?
Die einfache Möglichkeit der Retouren verführt natürlich schnell zum Kauf und manchmal bestellt man gleich verschiedene Varianten, obwohl man nur ein Teil kaufen will.
Warum können diese zurückgesendeten Waren nicht als Neuware wieder verkauft werden?
Je nach Ware kann man es teilweise als Neuware wieder verkaufen, manches wird wieder aufbereitet, aber vieles ist durch Transport, Verpackungsschäden, Anprobe oder eventuelle Nutzung nicht mehr als Neuware verkaufbar.
Der Kunde hat den Anspruch, online bestellte Waren innerhalb von wenigen Tagen geliefert zu bekommen. Ist das der Grund für das Problem, dass immer eine gewisse Anzahl von Waren von Amazon vorgehalten werden muss – und die dann natürlich auch verwertet werden muss, wenn sie mal nicht verkauft wird?
Eine schnelle Belieferung ist inzwischen Standard im Onlinehandel, dazu muss jeder Händler einen gewissen Bestand vorhalten, der öfters bei geringerem als erwarteten Absatz problematisch ist. Irgendwann muss dann diese Ware einen Weg nehmen, wenn Sie trotz eventuell Preisabschlägen kaum verkauft wird.
Wie könnte man dieses Problem im Onlinehandel verringern?
Dafür wären Verbesserungen beim Content, etwa bei den Größenangaben, der Produktbeschreibung oder Inhaltsangaben nötig. Das würde das Risiko verringern, dass das Produkt dem Kunden nicht gefällt. Und dann muss aber auch an den Kunden appelliert werden. Eine Ursache ist auch, dass die meisten Retouren für den Kunden kostenlos sind und er deshalb leicht zurückschicken kann.
Könnte eine Spendenpflicht, wie sie in Frankreich diskutiert wird, helfen?
Ich bin kein Freund von staatlicher Regulierung. Ich finde, dass vielmehr das Bewusstsein der Kunden dafür geschärft werden muss, was ihr Kaufverhalten für Folgen hat. Eine Spendenpflicht würde außerdem einen großen Aufwand mit sich bringen. Wer die Spenden bekommt, wer sie annimmt – das müsste alles organisiert werden.
Warum ist es für Unternehmen oft steuerlich günstiger, Waren zu verschrotten als zu spenden?
Bei Warenspenden fällt noch einmal zusätzlich Umsatzsteuer auf die Ware an, was betriebswirtschaftlich ungünstiger ist.