Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
53-Jähriger soll Bruder zu Tode geprügelt haben
Der Mann muss sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Landgericht Hechingen verantworten
PFULLENDORF/HECHINGEN - Vor dem Landgericht Hechingen muss sich seit gestern ein Mann aus dem Raum Pfullendorf verantworten, der seinen eigenen Bruder totgeprügelt haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 53-Jährigen vor, sein Opfer mit Faustschlägen und Tritten traktiert zu haben – so massiv, dass der jüngere Bruder später an den Folgen der Verletzungen starb. Ein Urteil im Prozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge wird für kommenden Donnerstag, 21. Juni, erwartet.
Zum Prozessauftakt äußerte sich der Angeklagte gestern sowohl zur Tat selbst als auch zu seinen familiären Verhältnissen. „Ich bin mit meinem kleinen Bruder eigentlich immer gut klargekommen“, sagte der 53-Jährige. Das habe sich geändert, als er seinem Bruder seinen Drucker geliehen habe – und nicht zurückbekam. Als der jüngere Bruder im August 2017 dann auch noch in einem offiziellen Brief die Unterschrift des älteren gefälscht habe, sei das Verhältnis endgültig zerrüttet gewesen.
Mittelfinger lässt Streit eskalieren
Am 14. Januar eskalierte der Streit. Um die Mittagszeit begegneten sich die beiden Brüder zufällig bei der Wohnung der gemeinsamen Mutter in Meßkirch. Der Angeklagte setzte sich ins Auto, wollte eigentlich nach Hause fahren. Doch dann habe ihm sein Bruder den Mittelfinger gezeigt, sagte er vor Gericht. Der Angeklagte stieg wieder aus und ging auf seinen Bruder zu. Dazu, was dann passierte, gibt es unterschiedliche Angaben.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 53-Jährigen gezielte Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper vor. Mit dem Einsatz von Pfefferspray habe sich der jüngere Bruder dagegen gewehrt. Trotzdem sei es dem Angeklagten gelungen, ihn an den Haaren zu Boden zu reißen und dort weiter auf ihn einzutreten. Das Opfer habe unter anderem einen gebrochenen Halswirbel und Hämatome davongetragen. Im Krankenhaus seien in der Folge eine Lungenentzündung und eine Blutvergiftung hinzugekommen. An einer Lungenentzündung sei der jüngere Bruder im April schließlich auch gestorben.
Der Angeklagte schilderte den Vorfall anders. „Ich bin auf meinen Bruder zugegangen, und in dem Moment hat er schon das Pfefferspray gezogen“, sagte er. Nach dessen Einsatz habe er seinen Bruder gegen die Wand gedrückt. Dieser habe einfach nicht aufgehört, ihn zu beschimpfen und zu beleidigen. Daraufhin habe er ihn an den Haaren zu Boden gezogen und dort auf ihn eingetreten – allerdings nur gegen die Beine. Schließlich habe er sich die Augen ausgewaschen und zu seinem Bruder „Du bist es einfach nicht wert“, gesagt. „Und dann bin ich gegangen.“
Dass sein Bruder an einer Erkrankung der Wirbelsäule und an einer weiteren an den Nieren litt, habe er gewusst, sagte der 53-Jährige. Im Moment der Auseinandersetzung habe er daran aber nicht gedacht. „Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass es so weit kommt“, sagte er über den Tod seines Bruders. Das Geschehen am 14. Januar schilderte er ruhig und gefasst. Heute denke er: „Meine Reaktion war völlig übertrieben.“Gesehen habe er seinen Bruder danach nicht mehr. Von dessen Tod habe er durch einen Anruf der Mutter erfahren. „Anschließend habe ich mir Vorwürfe gemacht, dass es wegen einer Lappalie so weit gekommen ist.“
Staatsanwalt: Tod war vermeidbar
Die Staatsanwaltschaft geht derweil davon aus, dass der Angeklagte damit rechnen musste, dass sein Handeln weitreichende Folgen haben wird. „Der Tod seines Bruders war für den Angeschuldigten vorhersehbar und vermeidbar“, sagte Staatsanwalt Fabian Kalmbach.
Gegenüber der Polizei hatte sich vor seinem Tod auch der 50-jährige Bruder zu dem Vorfall geäußert. „Er sagte zu mir: Jetzt hat mein Bruder mich erwischt“, erzählte der Polizist, der den Mann vernahm, gestern vor Gericht. Danach las der Vorsitzende Richter Hannes Breucker vor, was das Opfer weiter zu Protokoll gab: „Mit meinem Bruder kann es so nicht weitergehen. Ich habe Angst, dass er mich immer wieder aufsucht.“