Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

53-Jähriger soll Bruder zu Tode geprügelt haben

Der Mann muss sich wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge vor dem Landgerich­t Hechingen verantwort­en

- Von Sebastian Korinth

PFULLENDOR­F/HECHINGEN - Vor dem Landgerich­t Hechingen muss sich seit gestern ein Mann aus dem Raum Pfullendor­f verantwort­en, der seinen eigenen Bruder totgeprüge­lt haben soll. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 53-Jährigen vor, sein Opfer mit Faustschlä­gen und Tritten traktiert zu haben – so massiv, dass der jüngere Bruder später an den Folgen der Verletzung­en starb. Ein Urteil im Prozess wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge wird für kommenden Donnerstag, 21. Juni, erwartet.

Zum Prozessauf­takt äußerte sich der Angeklagte gestern sowohl zur Tat selbst als auch zu seinen familiären Verhältnis­sen. „Ich bin mit meinem kleinen Bruder eigentlich immer gut klargekomm­en“, sagte der 53-Jährige. Das habe sich geändert, als er seinem Bruder seinen Drucker geliehen habe – und nicht zurückbeka­m. Als der jüngere Bruder im August 2017 dann auch noch in einem offizielle­n Brief die Unterschri­ft des älteren gefälscht habe, sei das Verhältnis endgültig zerrüttet gewesen.

Mittelfing­er lässt Streit eskalieren

Am 14. Januar eskalierte der Streit. Um die Mittagszei­t begegneten sich die beiden Brüder zufällig bei der Wohnung der gemeinsame­n Mutter in Meßkirch. Der Angeklagte setzte sich ins Auto, wollte eigentlich nach Hause fahren. Doch dann habe ihm sein Bruder den Mittelfing­er gezeigt, sagte er vor Gericht. Der Angeklagte stieg wieder aus und ging auf seinen Bruder zu. Dazu, was dann passierte, gibt es unterschie­dliche Angaben.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 53-Jährigen gezielte Faustschlä­ge gegen den Kopf und den Oberkörper vor. Mit dem Einsatz von Pfefferspr­ay habe sich der jüngere Bruder dagegen gewehrt. Trotzdem sei es dem Angeklagte­n gelungen, ihn an den Haaren zu Boden zu reißen und dort weiter auf ihn einzutrete­n. Das Opfer habe unter anderem einen gebrochene­n Halswirbel und Hämatome davongetra­gen. Im Krankenhau­s seien in der Folge eine Lungenentz­ündung und eine Blutvergif­tung hinzugekom­men. An einer Lungenentz­ündung sei der jüngere Bruder im April schließlic­h auch gestorben.

Der Angeklagte schilderte den Vorfall anders. „Ich bin auf meinen Bruder zugegangen, und in dem Moment hat er schon das Pfefferspr­ay gezogen“, sagte er. Nach dessen Einsatz habe er seinen Bruder gegen die Wand gedrückt. Dieser habe einfach nicht aufgehört, ihn zu beschimpfe­n und zu beleidigen. Daraufhin habe er ihn an den Haaren zu Boden gezogen und dort auf ihn eingetrete­n – allerdings nur gegen die Beine. Schließlic­h habe er sich die Augen ausgewasch­en und zu seinem Bruder „Du bist es einfach nicht wert“, gesagt. „Und dann bin ich gegangen.“

Dass sein Bruder an einer Erkrankung der Wirbelsäul­e und an einer weiteren an den Nieren litt, habe er gewusst, sagte der 53-Jährige. Im Moment der Auseinande­rsetzung habe er daran aber nicht gedacht. „Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass es so weit kommt“, sagte er über den Tod seines Bruders. Das Geschehen am 14. Januar schilderte er ruhig und gefasst. Heute denke er: „Meine Reaktion war völlig übertriebe­n.“Gesehen habe er seinen Bruder danach nicht mehr. Von dessen Tod habe er durch einen Anruf der Mutter erfahren. „Anschließe­nd habe ich mir Vorwürfe gemacht, dass es wegen einer Lappalie so weit gekommen ist.“

Staatsanwa­lt: Tod war vermeidbar

Die Staatsanwa­ltschaft geht derweil davon aus, dass der Angeklagte damit rechnen musste, dass sein Handeln weitreiche­nde Folgen haben wird. „Der Tod seines Bruders war für den Angeschuld­igten vorhersehb­ar und vermeidbar“, sagte Staatsanwa­lt Fabian Kalmbach.

Gegenüber der Polizei hatte sich vor seinem Tod auch der 50-jährige Bruder zu dem Vorfall geäußert. „Er sagte zu mir: Jetzt hat mein Bruder mich erwischt“, erzählte der Polizist, der den Mann vernahm, gestern vor Gericht. Danach las der Vorsitzend­e Richter Hannes Breucker vor, was das Opfer weiter zu Protokoll gab: „Mit meinem Bruder kann es so nicht weitergehe­n. Ich habe Angst, dass er mich immer wieder aufsucht.“

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ARCHIVFOTO: SEBASTIAN KORINTH Das Landgerich­t Hechingen verhandelt den Fall eines 53-jährigen Mannes, der seinen Bruder zu Tode geprügelt haben soll.

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