Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Lehrstunde im Silicon Valley
Franziska Roell, Teilnehmerin des ersten Innovationcamps BW, erzählt von ihren Erfahrungen
STUTTGART - Mittelständler aus dem Südwesten fliegen ins Silicon Valley und bringen von dort neue Geschäftsmodelle und internationale Netzwerke mit. Das ist – kurz gesagt – die Idee hinter dem „Innovationcamp BW Silicon Valley“des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums. Franziska Roell aus Ulm war dabei und erzählt, was der Besuch in Amerika für ihr Unternehmen gebracht hat.
Das Silicon Valley – das ist ein Hype, dachte Roell. „Aber irgendetwas muss dran sein, und ich habe gehofft, dass wir dort etwas finden, das für unser Unternehmen relevant ist.“Im Rückblick habe sich diese Hoffnung bestätigt, so Roell, die als Trainee im Familienunternehmen Zwick-Roell in Ulm arbeitet. Die Firmengruppe stellt Maschinen zur Materialprüfung her. Im Mai flog sie gemeinsam mit ihrem Vater, dem Vorstandsvorsitzenden Jan Stefan Roell, zum Innovationcamp.
Das zweijährige Projekt des Wirtschaftsministeriums soll den Mittelstand für die digitale Zukunft fit machen, erklärt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut am Mittwoch zur Eröffnung des Handelskongresses Global Connect in Stuttgart, auf dem erstmals Teilnehmer des Innovationcamps über ihre Erfahrungen berichten. Es soll, so die Hoffnung von Hoffmeister-Kraut, eine Brücke für mittelständische Unternehmen sein, um sich mit den Start-ups und etablierten Firmen in Amerika auszutauschen und zu vernetzen. Für Franziska Roell und ihren Vater ging es unter anderem darum, wie Roboter so in die Produkte integriert werden können, dass sie leichter zu programmieren sind. „Wir waren erstaunt, weil in Europa in diesem Bereich zwar viel bei der Hardware passiert, im Silicon Valley passiert aber ganz viel im Bereich Software“, erzählt Roell.
Interesse ist da, Zeit nicht
In der ersten Woche durchliefen die Teilnehmer ein Bootcamp, es gab Workshops und Firmenbesuche. Die letzten beiden Wochen sind Roell und ihr Vater selbstständig unterwegs gewesen – machten Termine, trafen Unternehmer und bauten ihr Netzwerk aus. Das Ergebnis: Eine Kooperation mit einem Start-up im Bereich Robotics. „Sie haben einen Anwendungsfall für ihr Produkt und wir können unseres Weiterentwickeln“, sagt Roell. Eine Win-win-Situation.
Trotz des Erfolgs, den Roell beschreibt, sind die Bewerbungen für das Camp bisher noch übersichtlich. Vier liegen für die nächste Runde im September vor, sagt HoffmeisterKraut. Für November rechnet das Ministerium mit mehr Anmeldungen. Als Grund für die verhaltene Nachfrage sieht die Ministerin die vollen Auftragsbücher. „Man muss sich drei Wochen Zeit nehmen, sagt sie. „Das müssen sich die Unternehmen leisten können, zumal ein Entscheidungsträger teilnehmen muss.“
Es lohne sich aber, sagt Franziska Roell. Und nicht nur, weil eine Kooperation zustande gekommen ist. „Diese Innovationskraft ist ansteckend.“Auch die Fehlerkultur sei eine ganz andere. Statt Schuldzuweisungen stehe nach einem Fehler die Frage im Raum: Was lernst Du daraus? Diese Denkweise gebe es im deutschen Mittelstand kaum. Daher sei der Aufenthalt in Amerika in Verbindung mit einem Perspektivwechsel wichtig gewesen, sagt Roell. „Besonders spannend ist es, weil bei uns ein Generationenwechsel ansteht. Zu sehen: Was tut sich in der Welt und was bedeutet das konkret für uns.“
Nach ihrem Trainee-Programm steht jedoch nicht gleich der Wechsel in die Chefetage der elterlichen Firma an. „Ich gehe definitiv noch woanders hin – vielleicht sogar nochmal ins Silicon Valley.“Das Netzwerk dazu ist jetzt ja da.