Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Portwein wird immer besser
Einzigartig in Europa – Cristiano Ronaldo knackt einen weiteren Rekord
MOSKAU (SID/dpa/to) - Man muss ihn nicht mögen, doch als Fußballer ist Cristiano Ronaldo aktuell einer der Besten, wenn nicht der Beste. Der portugiesische Nationalspieler, der sonst den Personenkult um sich so sehr liebt, war nach dem 1:0-Sieg gegen Marokko eher zurückhaltend. Er wischte sich kurz den Schweiß von der Stirn und nahm die Wiederholung seines Rekordtreffers auf der Stadionleinwand ohne erkennbare Regung zur Kenntnis. Dabei hätte CR7 diesmal ruhig den eitlen Pfau geben können.
Denn nun ist er auch noch Europarekordler. 85 Länderspieltore hat niemand sonst auf dem Kontinent zu bieten, Ungarns Ikone Ferenc Puskas lag zuvor gleichauf. Weltweit liegt nur der Iraner Ali Daei (109 Tore) vor dem fünfmaligen Weltfußballer. Und eben jener führte den weitgehend enttäuschenden Europameister Portugal fast im Alleingang zu einem schmeichelhaften 1:0-Erfolg im zweiten WM-Spiel. „Ich bin sehr glücklich. Das Wichtigste war es, das Spiel zu gewinnen und die drei Punkte zu holen“, sagte Ronaldo, der natürlich zum Spieler der Partie gewählt wurde: „Marokko war sehr stark. Es ist wunderbar für mich, das Tor gemacht zu haben. So müssen wir weitermachen.“
Dennoch eilte selbst der Staatspräsident umgehend in die Kabine. „Ich habe Torwart Rui Patricio zu seinen Weltklasse-Paraden und natürlich auch Ronaldo zu seinem Tor gratuliert“, sagte Marcelo Rebelo de Sousa. Das Tor Ronaldos (4.), der in der ersten Partie gegen Spanien (3:3) dreimal getroffen hatte, beweist wieder nur eines: Ronaldo ist derzeit der einzige, der in Russland kontinuierlich liefert. Und damit liegt das Achtelfinale für die Portugiesen nach einem Sieg und und einem Unentschieden vor dem letzten Vorrundenspiel gegen den Iran in greifbarer Nähe, vor vier Jahren waren die Iberer noch in der Gruppenphase gescheitert. Marokko ist trotz einer guten Vorstellung raus. Der Showdown der Portugiesen gegen die Iraner, die im ersten Spiel 1:0 gegen Marokko gewonnen hatten, steigt am Montag in Saransk.
Vor 78 011 Zuschauern im ausverkauften Moskauer Luschniki-Stadion brauchte Ronaldo keine lange Anlaufzeit. Nach einer kurz ausgeführten Ecke und einer Flanke von Joao Moutinho wuchtete der 33-Jährige den Ball per Kopf aus kurzer Distanz ins Tor. Es war das siebte WM-Tor Ronaldos im 15. Spiel. Nachdem Ronaldo fast den zweiten schnellen Treffer nachgelegt hatte (9.), wachte Marokko auf. Die Nordafrikaner drängten auf den Ausgleich. Portugal stellte das Fußballspielen ein und schwamm gewaltig. Auch nach der Pause war Marokko am Drücker. Der Ex-Schalker Younes Belhanda scheiterte per Kopf an Patricio (57.). Der
„Mit Cristiano ist das wie mit einem Portwein. Er wird mit dem Alter besser. Er entwickelt sich immer weiter.“
Portugals Trainer Fernando Santos
Ausgleich lag in der Luft. In der 85. Minute glänzte Ronaldo lediglich noch mit einer Schwalbe. Dann war Marokko wieder dem Treffer nahe, Benatia schaffte es in der Nachspielzeit aber erneut nicht.
Trotz des Erfolgs wirkte Portugals Trainer Fernando Santos nicht zufrieden: „Ich weiß nicht genau, was da passiert ist. Wir haben das Spiel aus der Hand gegeben und viele Bälle einfach hergeschenkt.“Nur über Ronaldo ließ er nichts kommen: „Mit Cristiano ist das wie mit einem Portwein. Er wird mit dem Alter besser. Er entwickelt sich immer weiter. Anders als andere Spieler. Er spielt nicht wie noch vor vier oder fünf Jahren und wird auch in fünf Jahren nicht wie heute spielen.“
Ähnlich sah es der marokkanische Angreifer Aziz Bouhaddouz vom FC St. Pauli: „Man wird bestraft vom besten Fußballer der Welt. Aber der Sieg der Portugiesen war nicht verdient.“Damit scheidet Marokko als erste Mannschaft bei der WM aus. Trainer Hervé Renard freute sich wenigstens über die Atmosphäre und die vielen marokkanischen Fans: „Wir haben in diesem Moskauer Stadion gedacht, wir spielen in Casablanca.“